Maschinen- und Anlagenbauer verlieren viel Zeit mit Zettelwirtschaft. Das Wiener Start-up Tablet Solutions entwickelt Software, um Monteuren die Arbeit zu erleichtern.

Foto: Tablet Solutions

Wien – Viele heimische Industrieunternehmen zählen seit Jahrzehnten zu den innovativen Marktführern in ihrer Nische. Maschinen "Made in Austria" von der Recyclinganlage bis zum Industrielaser werden auf der ganzen Welt installiert. Während sich diese traditionellen Unternehmen auf altbewährte Ingenieurskunst konzentrieren, verpassen sie womöglich die Chancen der Digitalisierung, befürchtet Jungunternehmer Benjamin Schwärzler.

Mit dem Start-up Tablet Solutions entwickelt der 30-jährige HTL- und Wirtschaftsabsolvent Software für Maschinenanlagebauer. Konkret geht es um die Montage beim Kunden. Bestellt etwa eine russische Fabrik eine Maschine aus Österreich, werden vielfach Zeichnungen, Pläne und Abläufe auf Papier ausgedruckt und zusammen im Container mit den Komponenten zum Kunden verschifft. "Die Kiste mit Plänen ist zwei Wochen unterwegs, und am Ziel angekommen sind die Zeichnungen schon veraltet", berichtet Schwärzler aus Erfahrung von seinen Nebenjobs während des Studiums als Konstrukteur in Vorarlberg und in der Schweiz. Das Ganze ist ein unnötiger Aufwand.

Lösung auf dem Tablett

Nach der Einführung der ersten Tablet-Computer vor rund sieben Jahren, sah Schwärzler eine Alternative zur Zettelwirtschaft in der Montage. Digitale Pläne sind leicht zu transportieren und stets aktuell. Für seine Abschlussarbeit fragte er Produktionsleiter, was sie vom Einsatz von Tablets halten. Die meisten waren grundsätzlich interessiert, blieben aber skeptisch. Nachdem Schwärzler den Seilbahnhersteller Doppelmayr von seiner Idee überzeugt hatte, machte er sich selbstständig und gründete später das Start-up.

Heute entwickelt Tablet Solutions mit mittlerweile zehn Mitarbeitern eine Software, die immer mehr Aufgaben im Anlagenbau begleitet. "Jeder Montagetechniker verbringt bis zu einer Stunde am Tag damit, etwas aufzuschreiben, neue Zeichnungen zu suchen und irgendwelchen anderen Sachen nachzulaufen", sagt Schwärzler.

Software lernt mit

Mit seiner Software halten Monteure ihre Arbeitsschritte fest, dokumentieren Messwerte oder erfassen Probleme beim Aufbau fotografisch. Per Sprachsteuerung können Monteure das Tablet bedienen, wenn sie keine Hand frei haben. Dank künstlicher Intelligenz soll die Software mitlernen. All das spart Zeit, so das Versprechen.

Der Markt für mobile Lösungen für Techniker wächst mit rund 15 Prozent im Jahr, sagt Schwärzler. Um konkurrenzfähig zu bleiben, will Tablet Solutions die künstliche Intelligenz ihres Sprachassistenten verbessern. Gleichzeitig arbeitet man beim Start-up an einem digitalen Archiv, um die Erfahrung der Monteure eines Unternehmens zu bewahren. Erfahrene Techniker haben ein Spezialwissen, das sie nirgendwo aufschreiben.

Zu wenig Industrie-Start-ups

Mit ihrem Industriefokus entspricht Tablet Solutions nicht der breiten Wahrnehmung von der heimischen Start-up-Szene, die man eher mit App-Ideen für Konsumenten verbindet. Vielen ambitionierten Gründern fehlt einfach der Einblick in das Geschäftspotenzial spezialisierter Industriebranchen. "Gerade die Industrie bereitet extrem gute Chancen für Start-ups, weil da noch so wenig passiert", betont der junge Gründer. Das liege auch an mangelnden Verbindungen während der Ausbildung hierzulande. "Ich kann mir nichts Besseres vorstellen, als dass sich Studenten der Wirtschaftsuni und der Technischen Uni zusammentun, um etwas Cooles zu bauen und zu verkaufen." Tesla-Gründer Elon Musk oder Amazon-Chef Jeff Bezoz, der Raketensysteme entwickelt, machen es vor, fügt Schwärzler hinzu.

Frage des Ökosystems

Gleichzeitig werde aber nicht das nächste Facebook oder die nächste Dropbox aus Österreich kommen. "Dafür haben wir nicht das richtige Ökosystem. In den USA gibt es in der Frühphase für Start-ups zum Teil Millioneninvestitionen."

In Amerika und Asien sei es bereits selbstverständlich, Maschinenbau mit digitalen Entwicklungen zu kombinieren. Österreichs Firmen seien zum Teil hinten nach, meint Schwärzler. "Ich vermisse den Pioniergeist, der sie groß gemacht hat." (Leopold Stefan, 21.10.2017)