Die Drohungen aus Madrid gegen eine Unabhängigkeitserklärung Kataloniens werden schärfer.

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Iñigo Urkullu (Mitte) bei den Feierlichkeiten zum baskischen "Vaterlandstag" im April in Bilbao.

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Barcelona/Madrid – Dem katalanischen Regierungschef Carles Puigdemont droht bei Ausrufung der Unabhängigkeit seiner Region von Spanien die sofortige Inhaftierung. Spaniens Generalstaatsanwalt José Manuel Maza bestätigte am späten Samstagabend Medienberichte, wonach die oberste Anklagebehörde in Madrid einen Strafantrag gegen Puigdemont wegen Rebellion vorbereite.

Und zwar für den Fall, dass der 54-Jährige in den nächsten Tagen die Loslösung Kataloniens von Spanien erklärt. Der spanische Ministerpräsident Mariano Rajoy hatte am Samstag die Absetzung der separatistischen Regionalregierung in Barcelona angekündigt und Neuwahlen in Aussicht gestellt.

Der Spanien-Korrespondent des ORF, Josef Manola, hält es für möglich, dass das katalanische Parlament als Reaktion auf die Entmachtung durch Spanien demnächst seine Unabhängigkeit erklärt (Beitrag aus der "ZiB" am Samstag).
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"Schwere der Straftat"

Puigdemont hatte zuvor gewarnt, die Anwendung von Zwangsmaßnahmen könne Katalonien zu einer Unabhängigkeitserklärung bewegen. Es gilt als Formsache, dass der Senat in Madrid die Vorkehrungen – wie nötig – am Freitag absegnen wird.

Am Rande einer Veranstaltung im südspanischen Granada sagte Generalstaatsanwalt Maza vor Journalisten, aufgrund "der Schwere der Straftat" sei es "logisch und fast zwingend", dass Puigdemont und möglicherweise auch andere Angehörige der Regionalregierung nach einer eventuellen Unabhängigkeitserklärung sofort in Untersuchungshaft genommen würden. Für Rebellion sieht das spanische Gesetz Haftstrafen von bis zu 30 Jahren vor.

Zu Ungehorsam aufgefordert

Zuvor hatte die spanische Zentralregierung die Bürger der Region zu zivilem Ungehorsam gegenüber den örtlichen Behörden aufgefordert. Er hoffe, die Katalanen ignorierten alle denkbaren Anweisungen der Regionalregierung, sagte Außenminister Alfonso Dastis am Sonntag der BBC.

Kurzer Ausschnitt aus dem Interview mit dem spanischen Außenminister Dastis in der "Andrew Marr Show" auf BBC.

Die katalanischen Behörden hätten schließlich keine rechtliche Grundlage für Anordnungen, wenn die Zentralregierung die Kontrolle in Barcelona übernehme. Die Regierung in Madrid werde dann selbst für die gesetzestreue Abwicklung des Alltagsgeschäfts sorgen.

Kritik aus dem Baskenland

Hilfe bekam Katalonien vom Regierungschef des spanischen Baskenlandes, Iñigo Urkullu. Dieser nannte die von Ministerpräsidenten Mariano Rajoy getroffenen Maßnahmen als "unverhältnismäßig und übertrieben". Der "Lehendakari" warf der konservativen Zentralregierung Madrids laut Medienberichten vom Wochenende vor, alle "Brücken für einen Dialog niederzureißen."

Gleichzeitig drückte der Politiker der gemäßigten bürgerlichen Baskischen Nationalistenpartei (PNV) in einer auf Baskisch und Spanisch verbreiteten Stellungnahme seine "vollkommene Ablehnung" der von Madrid verkündeten Anwendung des Artikels 155 der spanischen Verfassung aus und bot der katalanischen Regierung seine Hilfe bei "der Suche nach einer konstruktiven Zukunft" an.

Artikel 155 sieht zumindest den teilweisen Entzug von Autonomierechten vor und gibt Madrid das Recht, in Katalonien regionale Neuwahlen anzusetzen. Der Antrag muss noch von Spaniens Senat abgesegnet werden. Rajoys konservative Volkspartei PP hat in dieser Parlamentskammer die absolute Mehrheit, eine Zustimmung gilt als sicher.

Tiefe Gräben

In Katalonien war am 1. Oktober trotz Verbots ein Unabhängigkeitsreferendum abgehalten worden. 90 Prozent stimmten für die Loslösung von Spanien, allerdings nahmen nur 43 Prozent der Wahlberechtigten an der Abstimmung teil. Das gewaltsame Vorgehen der spanischen Polizei gegen die Teilnehmer hatte die Gräben zwischen Katalonien und der Zentralregierung weiter vertieft.

Im spanischen Baskenland halten sich die Unabhängigkeitsbefürworter nach jahrzehntelangem Terror durch die Untergrundorganisation ETA (Euskadi Ta Askatasuna / Baskenland und Freiheit) derzeit betont zurück. Ein Referendum gegen den Willen Madrids wie in Katalonien scheint derzeit kein Thema zu sein.

Die nationalistische Regierung im Baskenland scheue ein illegales Referendum, weil die baskische Bevölkerung nach 35 Jahren ETA-Terror mit über 830 Toten derzeit Ruhe und Frieden haben wolle, meinte Felix Arrieta, Politologe an der baskischen Deusto-Universität in San Sebastian, Ende September im APA-Gespräch. "Die Mehrheit der Basken will kein illegales Referendum durchführen, das wohlmöglich zum Konflikt mit der Justiz und der Polizei führt".

Doch ist "Euskadi" wohl auch ein Grund, warum Rajoy so vehement gegen die katalanischen Abspaltungsavancen vorgeht. Würde Katalonien das Recht gegeben, eine Abstimmung über eine mögliche Unabhängigkeit abzuhalten, könnten auch die spanischen Basken auf ihr Recht auf Selbstbestimmung pochen. Das könnte schwerwiegende Folgen haben. Nach Katalonien und Madrid ist das Baskenland wirtschaftlich die drittstärkste Region Spaniens. (APA, Reuters, 22.10.2017)