Ankara/Berlin – Die Schwester des Journalisten Deniz Yücel beklagt, dass ihr Bruder noch immer ohne Anklage in türkischer Haft sitzt. "Seit 250 Tagen ist mein Bruder in Haft und es liegt nicht mal eine Anklageschrift vor", sagte Ilkay Yücel am Samstag im RBB-Inforadio. Ihr Bruder und die gesamte Familie warteten seit Monaten darauf "zu wissen, was ihm konkret vorgeworfen wird".

Sowohl ihre Familie als auch ihre Anwälte seien weiter ohne jede Information, sagte Ilkay Yücel weiter. Sie hoffe nun auf den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR). Der Straßburger Gerichtshof hatte die Türkei zu einer Stellungnahme aufgefordert. Bis Dienstag muss die türkische Regierung Fragen des Gerichts schriftlich beantworten.

Yücels Anwalt Veysel Ok sagte am Samstag zu dem Portal WeltN24, er hoffe, dass der Gerichtshof "hier ein Beispielurteil zur Inhaftierung von Journalisten in der Türkei fällen wird". Die türkischen Behörden hätten "klar gegen nationales Recht wie auch gegen internationale Abkommen verstoßen".

Ok sagte mit Blick auf die nach wie vor fehlende Anklageschrift: "Wir haben die Staatsanwaltschaft mehrfach um ein Gespräch gebeten, aber nie eine Antwort erhalten." Auch schriftliche Nachfragen, warum die Anklage immer noch nicht vorliege, blieben unbeantwortet.

Der "Welt"-Korrespondent sitzt bereits seit dem 14. Februar in Haft. Ihm werden "Terrorpropaganda" und "Volksverhetzung" vorgeworfen. Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan bezeichnete ihn wiederholt als deutschen "Spion" und "Agenten" der verbotenen Arbeiterpartei Kurdistans (PKK). (APA, AFP, 22.10.2017)