Unterstützer Shinzo Abes am Wochenende in Tokio.

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Nach seinem überwältigenden Wahlsieg bei der Parlamentswahl in Japan hat Regierungschef Shinzo Abe einen härteren Umgang mit Nordkorea angekündigt. Mit "starker, entschlossener Diplomatie" wolle er dem Raketen- und Atomprogramm Nordkoreas entgegentreten, sagte Abe am Montag vor Journalisten in Tokio. Er sei entschlossen, "das Leben der Menschen und das Leben in Frieden" zu sichern.

Die Regierungskoalition des Nationalisten Abe hat ersten Prognosen zufolge bei der vorgezogenen Neuwahl des Unterhauses ihre Zweidrittelmehrheit verteidigt. Damit rückt die Revision der pazifistischen Verfassung, die das erklärte Lebensziel von Regierungschef Abe ist, in greifbare Nähe. "Ich verstehe meine Mehrheit so, dass ich Ergebnisse bringen soll", erklärte der 63-Jährige.

Zwar steht die buddhistische Komei-Partei, die Japan seit fast fünf Jahren zusammen mit Abes Liberaldemokratischer Partei regiert, der Reform skeptisch gegenüber, aber zusammen mit anderen Parteien stellen die Befürworter einer Änderung nach Einschätzung des öffentlich-rechtlichen Fernsehsenders NHK nun mehr als 70 Prozent der Abgeordneten. Notwendig ist eine Zweidrittelmehrheit.

Nordkorea als Feindbild

Mit dem haushohen Sieg ist das Kalkül von Abe aufgegangen. Geschickt hatte er die Raketenschüsse von Nordkorea über japanisches Territorium dazu benutzt, sich als Beschützer der Nation zu gerieren. Dafür benutzte er ein landesweites Alarmsystem, das bei jedem Raketenstart die Handys von Millionen von Japanern klingeln lässt, und setzte Schutzübungen in vielen Städten an. Zugleich stellte sich Abe hinter die harte Nordkorea-Linie von US-Präsident Donald Trump, dass "alle Optionen auf dem Tisch liegen". Dabei gerieten die Vorwürfe der Vetternwirtschaft gegen ihn in Vergessenheit. Die selten gute Wirtschaftslage mit niedriger Arbeitslosigkeit und exzellentem Geschäftsklima sorgte für zusätzlichen Rückenwind.

Zudem trug die schwache Opposition ihren Teil zu Abes Sieg bei. "Das Geheimnis seines festen Griffs auf Japan ist das Fehlen einer Alternative", sagte der Politologe Koichi Nakano von der Sophia-Universität in Tokio. Vor der Wahl hatte sich die oppositionelle Demokratische Partei in die "Hoffnungspartei" der Tokioter Gouverneurin Yuriko Koike und die Konstitutionelle Demokratische Partei (CDP) von Yukio Edano aufgespalten. Die populäre Koike verzichtete jedoch auf eine eigene Kandidatur, sodass ihre Hoffnungspartei weit hinter den Erwartungen zurückblieb. Zerknirscht räumte sie ein "hartes Ergebnis" ein.

Die "ZiB" um 11 Uhr berichtete über die Wahlen in Japan.
ORF

Auffangbecken der Linken und Liberalen

Stattdessen wurde die linksliberale CDP zur stärksten Oppositionskraft. Das Gesicht ihres Vorsitzenden Edano ist weltbekannt, seit er während der Fukushima-Katastrophe als Kabinettssekretär der Regierung von Naoto Kan täglich im blauen Arbeitsanzug vor die TV-Kameras trat. Mit seinem Slogan "Nicht rechts, nicht links, sondern vorne" verkörpert er jetzt die Hoffnungen der Linken und Liberalen. Noch am Wahlabend versprach Edano mehr Graswurzeldemokratie.

Das Ergebnis der Opposition litt unter der sehr niedrigen Wahlbeteiligung. Wegen des mächtigen Taifuns Lan, der mit starkem Regen und heftigen Sturmböen über halb Japan hinwegfegte und mindestens zwei Tote forderte, dürften viele Wechselwähler zu Hause geblieben sein. "Als klarer Zuspruch für Abes Politik lässt sich das Ergebnis daher nicht werten", sagt der Politologe Sebastian Maslow von der Universität Kobe. (Martin Fritz aus Tokio, 22.10.2017)