Andrej Babiš habe mit Protestrhetorik gepunktet, sagt Politologe Jiří Pehe.

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STANDARD: Wie erklären Sie sich den haushohen Sieg von Andrej Babiš und seiner Partei Ano?

Pehe: Der Feldzug gegen die traditionelle Politik war erfolgreich. 2013 haben die Wähler nur die beiden Rechtsparteien ODS und Top 09 abgestraft und der Sozialdemokratie, die vorher nicht in der Regierung war, ihr Vertrauen geschenkt. Nun hat sich die Abneigung gegen die traditionellen Parteien quer über das politische Spektrum verteilt. Davon profitiert Babiš, denn seine Message ist, dass er von außen gekommen ist, um in der Politik aufzuräumen.

STANDARD: Aber Ano ist ja selbst seit vier Jahren in der Regierung. War um konnten nicht auch die Sozialdemokraten von deren Erfolgen profitieren?

Pehe: Babiš hat es geholfen, dass in dem Moment, als er in die Regierung eintrat, die Wirtschaft wieder zu wachsen begann. Er hat sich von Anfang an als erfolgreicher Unternehmer präsentiert, der eine große Firma in Tschechien aufgebaut hat. Viele haben gedacht, dass auch die ökonomische Entwicklung des Landes mit Babiš und seiner Tätigkeit als Finanzminister zusammenhängt. Misserfolge der Regierung hat Babiš hingegen als Beleg dafür präsentiert, dass ihm die Koalitionspartner Prügel vor die Füße werfen.

STANDARD: Im Mai verlor Babiš wegen einer Affäre rund um seine unternehmerische Tätigkeit den Posten des Finanzministers. Das hat ihm offenbar nicht geschadet.

Pehe: Im Gegenteil, paradoxerweise hat es eher den Koalitionspartnern geschadet, also den Sozial- und den Christdemokraten. Viele Menschen haben ihnen vorgeworfen, dass sie die Affäre nur vorschoben, um einen unliebsamen Reformer loszuwerden.

STANDARD: Wie könnte es jetzt mit der Regierungsbildung weitergehen? Die bisherigen Koalitionspartner wollen Babiš selbst nicht im Kabinett, weil die Polizei ihn des Subventionsbetrugs beschuldigt.

Pehe: Die Regierungsbildung wird wohl sehr kompliziert. Die Piraten haben sogar gesagt, sie wollen mit Ano überhaupt nicht koalieren, auch nicht, wenn Babiš selbst sich im Hintergrund hält. Ähnliches gilt für die meisten anderen Parteien. Wenn Babiš Premier werden will, muss er sich an die Kommunisten oder die (rechtspopulistische, Anm.) SPD von Tomio Okamura wenden, die etwa eine Minderheitsregierung unterstützen könnten. Aber das wäre natürlich eine sehr instabile Angelegenheit.

STANDARD: Was erwarten Sie für Tschechiens Europapolitik?

Pehe: Babiš ist ein Pragmatiker. Er hat auch Firmen in Deutschland, Frankreich oder den Nieder landen. Ein größerer Graben zwischen Tschechien und der Europäischen Union wäre schlecht für sein Business. (Gerald Schubert, 23.10.2017)