Hallstatt/Wien – Der Boden des Hallstätter Sees in bis zu 125 Meter Tiefe wird seit vergangenen Freitag von Wissenschaftern vermessen. Sie erhoffen sich vom exakten Geländeprofil Hinweise auf Jahrhunderte- bis Jahrtausende alte Extremereignisse wie Felsstürze, Muren, Hochwasser oder Erdbeben, wie die Leiterin des Projekts "Facealps", Kerstin Kowarik, anlässlich der Präsentation der Arbeiten erklärte.

Forscher nehmen den Hallstätter See im oberösterreichischen Salzkammergut ins Visier.
Foto: Universität Wien/Luftbildarchiv

Im Rahmen des im Mai gestarteten Projekts "Facealps" sollen die Beziehung zwischen dem Menschen und seiner Umwelt rund um den Hallstätter See über die vergangenen 3.500 Jahre erforscht werden. Finanziert von der Österreichischen Akademie der Wissenschaften (ÖAW) und angesiedelt am Naturhistorischen Museum (NHM) Wien forscht ein Wissenschafterteam aus verschiedenen Disziplinen, darunter Botanik, Geologie und Archäologie, drei Jahre lang.

Exakte Vermessung

Für die in Kooperation mit den Universitäten Bern und Innsbruck durchgeführte Vermessung des Seebodens fährt ein Schiff den rund 8,5 Quadratkilometer großen See streifenweise ab und erfasst den Seeboden mit Hilfe des Schallsignals eines Multibeam-Echolots. "Wir können damit Höhenunterschiede im Zentimeterbereich messen", sagte Kowarik. In der Form des Seebodens würden sehr viele Informationen über vergangene Umweltereignisse und -bedingungen stecken.

Forschungsboot mit Multibeam-Echolot.
Foto: NHM Wien

Um zu rekonstruieren, wie sich die Umwelt im Raum Hallstatt verändert und den Menschen beeinflusst hat, und wie der Mensch in die Umwelt eingegriffen hat, verwenden die Wissenschafter viele verschiedene Datenquellen. Neben der exakten Form des Seegrunds sind dies auch Analysen der Schlammschichten (Sedimente), die mit Hilfe von Bohrkernen durchgeführt wurden. In den vergangenen Jahren wurden bereits drei Mal Bohrungen durchgeführt.

Blick in die Vergangenheit

Diese Sedimente sind für die Wissenschafter Archive der Umweltgeschichte. Erst kürzlich konnten sie anhand des eingelagerten Blütenstaubes Viehhaltung um 5.000 vor unserer Zeitrechnung und von intensiven Rodungen um 1.000 unserer Zeitrechnung in der Region nachweisen. Diese Schlägerungen deuten darauf hin, dass der mittelalterliche Bergbau in Hallstatt bereits 300 Jahre früher als bisher nachweisbar einsetzte.

Probenentnahme für nähere Analysen.
Foto: Universität Innsbruck

Durch diese Analysen wollen die Forscher eine Umweltgeschichte der Region schreiben, "ein Register natürlicher Extremereignisse, Hochwasser, Massenbewegungen", wie Kowarik sagte. Geklärt werden soll auch, wie häufig solche Ereignisse sind und ob sie irgendwo öfter auftreten.

Weitere Bohrungen geplant

Datieren lassen sich solche Ereignisse grob etwa anhand der Form und Art der Abrisskanten von Sedimentrutschungen. Exakter wird es dann mit Hilfe der Bohrkerne. Nach den Bodenvermessungen sollen auch weitere Bohrungen durchgeführt werden, die nächsten sind im kommenden Jahr geplant.

Bereits im August wurden von Wissenschaftern der Geologischen Bundesanstalt im Hallstätter Hochtal geoelektrische Messungen gestartet, um eisenzeitliche Massenbewegungen zu erfassen. "Wir wissen, dass es solche gab, so wurde ja auch der prähistorische Bergbau verschüttet", sagte Kowarik.

Die ursprünglichen Zugänge zum Bergwerk – senkrechte Schächte von der Oberfläche aus – wurden im dritten Jahrhundert v. u. Z. jäh durch einen massiven Erdrutsch verschüttet. "Wir kennen aber den Ablauf nicht. Die geoelektrischen Messungen sollen klären, ob das eine singuläre riesige Rutschung war oder eine, die immer wieder aktiv wird, und wie groß die Erdmasse war, die da abgegangen ist", so die Wissenschafterin. (APA, 29.10.2017)