Robert Scoble beim Ausprobieren der Augmented-Reality-Brille "Meta".

Foto: Robert Scoble/Facebook

Wann immer eine größere Tech-Konferenz in den USA stattfindet, ist die Wahrscheinlichkeit hoch, dort auf Robert Scoble zu treffen. Seit Jahrzehnten begleitet er als "Scobleizer" die Branche, probiert neue Geräte aus und kommentiert Entwicklungen. Dazu war er in beratender Tätigkeit auch für diverse namhafte Unternehmen tätig. Für Microsoft agierte er etwa als "Evangelist" für das Projekt "Longhorn", später bekannt als Windows Vista. Internationale Bekanntheit verschaffte ihm ein virales Foto, das ihn selbst mitsamt seiner Google Glass-Brille unter der Dusche zeigt.

Seine Zeit im Rampenlicht der Techblogs und sozialen Medien naht allerdings dem Ende. Eine Journalistin hat Scoble eines sexuellen Übergriffs beschuldigt und damit eine Kettenreaktion ausgelöst. Auch andere Betroffene haben sich mittlerweile zu Wort gemeldet. Scoble will Konsequenzen für sich ziehen.

Übergriff am Lagerfeuer

"Robert Scoble und ich", titelt der Text von Quinn Norton. Sie beschreibt einen Vorfall am "Foo Camp", eine Outdoor-Veranstaltung mit loser Abfolge, auf der Teilnehmer eigene Sessions ausrichten können. Gegen Anfang des Jahrzehnts, erinnert sich Norton, sei sie an einem Samstagabend bei einem Lagerfeuer gestanden. Dort habe sie Scoble dabei gesehen, wie er mit einer alkoholbedingt bereits desorientiert wirkenden, verheirateten Frau schmuste und ihr immer wieder Drinks nachschenkte.

Nachdem ein Freund von ihr die beiden trennte, wurde ihr Scoble von einem seiner Begleiter vorgestellt. "Und dann, ohne Vorwarnung, war er plötzlich bei mir", so ihre Erzählung des weiteren Geschehens. "Ich fühlte eine Hand an einer Brust und wie er mit seinem Arm um mich griff und meinen Po anpackte." Erst mit einem Schlag auf sein Kinn konnte sie sich befreien. Erst die Drohung, dass sie ihm die Nase brechen werde, sollte er noch einmal übergriffig werden.

Sie hatte sich entschlossen, den Vorfall nicht öffentlich zu machen, um die andere beteiligte Frau zu schützen. Denn eine Bekannte von ihr, deren Name nach einem ähnlichen Übergriff öffentlich wurde, nahm sich infolge zahlreicher Hassbotschaften das Leben. In Gesprächen mit anderen Ex-Kolleginnen von Scoble fand sie später heraus, dass Belästigungen durch ihn als "offenes Geheimnis" in der Branche galten.

Ehemalige Mitarbeiterin erneuert Anschuldigungen

Seit der Veröffentlichung dieses Textes haben sich zwei weitere Frauen gemeldet, die in der Zusammenarbeit mit dem Tech-Evangelisten ebenfalls Übergriffe erlebt haben. Eine davon ist Michelle Greer. Sie thematisierte einen Vorfall, den sie bereits im Juli im Rahmen einer Facebook-Diskussion mit Scoble aufgebracht hatte. Auch hier lautet die Anschuldigung, dass Scoble sie in angetrunkenem Zustand unsittlich angefasst habe.

Nur sein Chef habe sich bei ihr dafür nachträglich entschuldigt, Scoble selbst jedoch nicht. Aus Angst vor Scobles Einfluss habe sie sich erst der Personalabteilung ihres ehemaligen Arbeitgebers Rackspace, wo auch Scoble tätig war, anvertraut, nachdem sie dort entlassen wurde. Ihre Arbeitsleistung habe aufgrund der Belastung durch diesen Vorfall gelitten.

"Mich zu entschuldigen, ist nicht genug"

Schon in der vorangehenden Facebook-Diskussion zeigte sich Scoble reuig. "Mich zu entschuldigen ist nicht genug, um den Schaden, den ich angerichtet habe, rückgängig zu machen", erklärt er. Er bezeichnet sein eigenes Verhalten als "abstoßend". Als eine Konsequenz für sein damaliges Verhalten habe er dem Alkohol entsagt.

Im September hatte er selbst einen Blogbeitrag verfasst. Auch dort thematisierte er "[seine] eigene Rolle in Sachen Sexismus in der Tech-Industrie". Anlassfall war die Klage einer ehemaligen Managerin gegen das Unternehmen UploadVR, bei dem damals auch Scoble tätig war. Sie wandte sich gegen eine sexistische Unternehmenskultur und die Kultivierung einer "sexuell aufgeladenen Atmosphäre."

Rückzug angekündigt

Der Tech-Veteran, der 2014 darlegte, in jungen Jahren selbst Missbrauchsopfer gewesen zu sein, will sich nun zurückziehen. "Ich habe einige Dinge getan, die wirklich, wirklich verletzend gegenüber Frauen waren", sagt er vergangene Woche gegenüber USA Today.

Laut einem Facebook-Posting seines Freundes und Geschäftspartner hat er seine Tätigkeit bei der gemeinsamen Beratungsfiorma Tranformation Group zurückgelegt. Zumindest bis Jahresende wird er alle öffentlichen Aktivitäten einstellen, an Treffen der "Anonymen Alkoholiker" teilnehmen und auch psychiatrische Hilfe in Anspruch nehmen, um mit seinen "tiefgehenden und besorgniserregenden Problemen" umzugehen. (gpi, 23.10.2017)