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Arme Kinder bleiben oft jahrelang arm. Jene, die sich am unteren Ende der Gesellschaft befinden, schaffen den Aufstieg nur schwer.

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"Für ein Deutschland, in dem wir gut und gerne leben" – so lautete der Wahlspruch der CDU im Bundestagswahlkampf. Doch er trifft nicht auf alle zu, auch nicht auf alle Kinder. Nur 68,9 Prozent von ihnen leben in dauerhaft gesicherten Einkommensverhältnissen. Zu diesem Ergebnis kommt eine am Montag veröffentlichte Studie der Bertelsmann-Stiftung.

Für zehn Prozent der Kinder ist Armut ein vorübergehendes Phänomen, für 21 Prozent ein dauerhaftes. Sie gelten mindestens fünf Jahre ihres Lebens als arm. "Es hat mich betroffen gemacht zu sehen, dass so viele Kinder aus dieser Situation nicht herauskommen", sagt Sarah Menne, eine der Studienautorinnen dem STANDARD.

Wenig durchlässige soziale Milieus

Denn die Forscher haben sich nicht nur angesehen, wie viele Kinder arm sind, also in Familien mit weniger als 60 Prozent des durchschnittlichen Haushaltsnettoeinkommens leben. Sie untersuchten die Einkommenssituation in Haushalten von 3.180 Kindern zwischen 2011 und 2015 und schauten dabei auch, ob sich Familien aus der Armut wieder befreien können.

Fazit: Die sozialen Milieus sind wenig durchlässig. Innerhalb eines Jahres schafften nur zwischen 3,7 und 16,4 Prozent der Familien den Sprung aus der Armut. Besonders schwer tun sich jene, die staatliche Sozialleistungen beziehen.

Dauerzustand für viele

"Kinderarmut ist in Deutschland ein Dauerzustand. Wer einmal arm ist, bleibt lange arm. Zu wenige Familien können sich aus Armut befreien", sagt Jörg Dräger, Vorstand der Stiftung.

Die Autoren der Studie weisen darauf hin, dass es nicht an der Grundversorgung mangelt: "Die existenzielle Grundversorgung ist in der Regel gewährleistet. Arm zu sein heißt aber, auf vieles verzichten zu müssen, was für Gleichaltrige ganz normal zum Aufwachsen dazugehört."

Für die Studie fragten sie ab, ob 23 Güter und Aspekte sozialer Teilhabe in diesen Familien aus finanziellen Gründen fehlen. Dazu zählten etwa eine ausreichend große Wohnung, ein Kinobesuch oder ein internetfähiger Computer. Durchschnittlich fehlen Kindern in dauerhafter Armutslage 7,3 der 23 Güter. Dagegen müssen Kinder aus Familien mit sicherem Einkommen im Schnitt nur auf 1,3 Güter verzichten.

Was Kinder brauchen

Von der neuen Regierung – bis zu deren Bildung allerdings noch einige Zeit vergehen wird – fordert Dräger: "Die zukünftige Familien- und Sozialpolitik muss die Vererbung von Armut durchbrechen. Kinder können sich nicht selbst aus der Armut befreien, sie haben deshalb ein Recht auf eine Existenzsicherung."

Studienautorin Menne empfiehlt erst eine umfassende Datenerhebung: "Es gibt nicht genug Informationen darüber, was Kinder überhaupt brauchen. Der Gesetzgeber behandelt Kinder wie 'kleine Erwachsene'." Abgesehen von finanziellen Leistungen für sozial Schwache schlägt sie eine Änderung der Organisation vor: "In Stadtteilen, in denen viele arme Familien leben, sollte es einen zentralen Ansprechpartner für Familien geben, damit sie nicht von einer Stelle zur anderen gehen müssen." (Birgit Baumann aus Berlin, 24.10.2017)