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SPOILERALARM! In der Folge wird ein dezidierter Hinweis auf das Ende der ersten Staffel und allgemeine Angaben zu Handlungssträngen der zweiten Staffel gegeben. Keiner soll sagen, wir hätten nicht gewarnt.

Wien – Dass am Ende der ersten Staffel von Stranger Things nichts gut war, wussten Zuschauer spätestens, als das blasse Bübelein Will sehr kurz nach seiner Errettung vom Dämon beim Händewaschen im wohlig-zurückeroberten Familienbadezimmer ein ungutes Gefühl überkam. Es reckte ihn, wie man volkstümlich sagt, und er spie ein in Größe und Konsistenz hühnerleberartiges Stück Fleisch ins Waschbecken. Na bravo.

Viel schlimmer, wenn auch ganz natürlich ist, dass nicht wenige sich über diesen dezenten Hinweis sehr gefreut haben, weil im Serienuniversum nichts lieber besprochen wird als die Fortsetzung nach einem missglückten Happy End und die damit verbundene, überlebenswichtige Frage: WIE GEHT ES WEITER?

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Stranger Things gehört derzeit zu den Serien, über die im Internet am meisten diskutiert wird. Das ist für Streamingdienste, die Abrufzahlen vor der Öffentlichkeit so geheim halten wie Will sein Hühnerleberspeiberlebnis vor seiner Familie, eine ziemlich hohe Währung. Und so gehen die wackeren Musketiere Will, Mike, Dustin und Lucas (Noah Schnapp, Finn Wolfhard, Gaten Matarazzo, Caleb McLaughlin) am 27. Oktober auf Netflix und ab 28. Oktober 1984 in der Kleinstadt Hawkins im US-Bundesstaat Pennsylvania erneut auf Monsterjagd.

Mit Mut und Föhnfrisur

Begleitet werden sie dabei wieder von der guten Mutter Joyce Byers (Winona Ryder), dem aufrechten Sheriff Jim Hopper (David Harbour), dem liebreizenden Bruder Jonathan (Charlie Heaton), der süßen Schwester Nancy (Natalia Dyer) und sehnsüchtig beobachtet von Wundermädchen El (Millie Bobby Brown). Diese Eliteeinheit der scheinbar Machtlosen sorgt dafür, dass die Finsternis nicht alles verschluckt. Und wieder wirken allesamt nicht, als könnten sie das – und tun es doch – mit Entschlossenheit und Föhnfrisur.

Wobei das Erfolgsmodell Stranger Things ein ziemlich ausgeklügeltes Anforderungsprofil bedient, das jene Zielgruppe zu erfassen sucht, die vielleicht noch nicht flächendeckend über Netflix-Abos verfügt, aber in der findige Marketingstrategen das Geld dafür vermuten.

Alle über 40

Angesprochen sind also all jene über 40, die in den 1980er-Jahren entweder Eltern, jung oder Kind waren, den Sound von The Clash bis Bangles hörten, ihre Wohnzimmer mit gemusterten Tapeten ausstatteten, sich Wet Gel ins Haar schmierten oder kühlschrankgroße Spielautomatenknöpfe bedienten.

Das soll nicht abwertend klingen, denn diesem gezielten Angriff auf unser aller nostalgisches Herz ist derzeit nichts entgegenzusetzen. Das hängt auch, aber nicht nur mit Winona Ryder zusammen, der Will-Mutter und standhaften Zinnsoldatin gegen das Böse, die in Stranger Things ein furioses, preisgekröntes Comeback feierte.

Ein Gutteil des Erfolgs beruht ja nicht allein auf den Ergebnissen von findigen Marktforschern, sondern einfach auf handwerklich hervorragendem Jonglieren mit beliebten Fantasythemen.

  • Verschwörung Einer der absoluten Allzeitfavoriten unter den Verschwörungstheorien knüpft offenbar direkt an Stranger Things an. Konkret es um das sogenannte Montauk-Projekt, in dem die US-Regierung in den späten 1970ern Menschenversuche durchgeführt haben soll, um Zeit und Raum zu überwinden. In der Serie ist daraus das Mädchen El entsprungen, die den Bösewichten ("Papa") etwas voraus hat, nämlich allein mit der Kraft ihrer Konzentration Fensterglas zum Zerspringen bringt. Wie sich in Staffel zwei zeigen wird, ist auch Wut ein guter Katalysator.
  • Liebeswerben Wie in der Vampirromanze Twilight bietet auch Stranger Things viel Raum für Romantik. Der kleine Mike vergeht sich in Sehnsucht an El, Dustin verliert sein Herz (kurz) an ein schnell wachsendes Minimonster, Jonathan und Steve lieben Nancy, Nancy liebt beide. Irgendwie.
  • Empowerment In der zweiten Staffel wird der Clan der lieben Loser um einige neue Freunde erweitert. Durchwegs vermeintliche Verlierer, die sich als tapfere, mutige und mit clevere Dämonenkämpfer behaupten und sich hervorragend als Identifikationsobjekte eignen.
  • Gebrauchsphilosophie Was ist das Böse und wenn ja, wie viele?
  • Küchenpsychologie Stranger Things ist nicht zuletzt eine Geschichte über das Erwachsenwerden, was ja bekanntlich keine Kleinigkeit ist, Freunde und sich unverstanden fühlen, eh schon wissen.
  • Zitate Schier endlos lassen sich Songs und Filme auflisten, mit denen an die 1980er angeknüpft wird. Stranger Things hat Elemente etwa von Carrie, Halloween, E.T., Terminator, Twin Peaks, Harry Potter, Herr der Ringe, Poltergeist, um dazwischen wie eine biedere Teenagerserie à la Degrassi Junior High aufzutreten. (In der zweiten Staffel ist dieser Anteil höher, was nicht allen gefallen könnte
  • Fantasierereisen Ob nun das dunkle Energiefeld, genannt "Upside Down" die dunklen Räume in uns sind, unsere eigenen Ungeheuer ("Demagorgon") sind, frühkindliche Traumata, die sich in der mütterlichen Gebärmutter (dunkel und glitschig) abgespielt haben oder Sinnbild für pubertäre Jugendliche, die sich von ihren wahlweise überängstlichen oder gleichgültigen Eltern loslösen und deshalb durch tiefe Täler des Unverständnisses irren, bleibt Sache des Betrachters.

In der zweiten Staffel ist zwar nicht alles, aber doch vieles anders. Wieder ereignet sich Monströses, doch dieses Mal geht es langsamer, müssen doch vorerst einige der o.a. Punkte abgearbeitet werden.

Die unheimlichen Anzeichen mehren sich, nicht nur die Kürbisse vor Halloween stinken. Das Böse greift jedenfalls um sich, zu spüren bekommen das sämtliche Beteiligte, was dazu führt, dass es im Hause Wills bald wieder recht unaufgeräumt aussieht.

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Die Fortsetzung nimmt übrigens keine Rücksicht auf Neueinsteiger, man muss schon die erste Staffel gesehen haben, um sich zurechtzufinden. Die furchterregende und gleichzeitig erfreuliche Botschaft bleibt dieselbe: Die Monster sind überall. (Doris Priesching, 25.10.2017)