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Die verschiedenen Mülltonnen werden von der Müllabfuhr in einen Wagen gekippt. Einzelne chinesische Städte probieren nun etwas anderes aus.

Foto: REUTERS/Jason Lee

Ich freue mich jeden Morgen über die bunten Tupfer, wenn ich vom Küchenfenster in unsere Wohnsiedlung schaue. Vor jedem Haus stehen rot, blau, grün und schwarz angestrichene Mülltonnen zum getrennten Sammeln von Karton, Papier, Glas und Hausabfällen. Ich kann es meinen Mitbewohnern nicht verdenken, wenn sie sich nicht daran halten. Denn gegen acht Uhr kommt der große Gleichmacher – die städtische Müllabfuhr – und kippt alles in einen Wagen.

Es geht auch anders. Dutzende chinesische Städte probieren etwas Neues aus. Sie wetteifern, wer die smarteste Mülltonne besitzt und sich öffentlich als Wahrzeichen innovativer Stärke präsentiert. Taiyuan, die Provinzhauptstadt von Shanxi, wirbt mit 500 intelligenten Abfallbehältern neben Bushaltestellen. Sie seien äußerlich so sauber, dass Wartende auf ihnen sitzen könnten, heißt es. Im Inneren desinfizieren sie den Müll mit ultraviolettem Licht. Sie bieten sogar WLAN an und lassen sich auch als Ladestationen für Mobiltelefone nutzen. Sie könnten somit zum sozialen Treffpunkt für alle werden, die ihr Handy aufladen.

Sozialkreditpunkte

Die Millionenstadt Jinan in Shandong punktet bei ihren Abfalltonnen mit Sensortechnik und Voice-Messaging. In Hangzhou in der Provinz Zhejiang, dem Sitz des E-Kommerz-Riesen Alibaba, sollen sich 200 mit Satellitenortung vernetzte Tonnen über QR-Codes öffnen. Wer mit der Mülltonne über sein Smartphone kommuniziert, kriegt dann auch "Sozialkreditpunkte" gutgeschrieben, wenn er seinen Müll getrennt entsorgt, schreibt die Nachrichtenagentur Xinhua.

Sichuans Hauptstadt Chengdu produziert nach Angaben der Lokalzeitungen "Müllcontainer" in dritter Generation. Sie vermarkten sich mit LED-Werbeflächen, bieten WLAN und sollen, hintereinander aufgestellt, einen WLAN-Korridor ziehen können. Chengduer Mülltonnen würden auch exportiert, etwa nach Tschechien. Intelligente Tonnen gibt es ab 3.000 Yuan (400 Euro). Die teuersten Smart-Exemplare mit allen Finessen seien bis zu 100.000 Yuan teuer, schreibt Xinhua. Wer traut sich da wohl noch hineinzumüllen?

Die klugen Monster lösen Chinas Recyclingprobleme allerdings ebenso wenig wie die bunten Einwegtonnen in den Hinterhöfen. Abfallexperte Liu Jianguo von der Universität Tsinghua kritisiert, dass über 60 Prozent von Chinas jährlich 400 Millionen Tonnen Hausmüll unbearbeitet deponiert werden. Und auch nur 15 Prozent der jährlich anfallenden 40 Millionen Tonnen hochbelasteten Industrie- und Sondermülls würden umweltgerecht behandelt werden können, sagte Chen Ying vom Umweltministerium im August der "Global Times".

Schwarze Deponien

Dokumentarfilmer Wang Jiulang enthüllte in seinem 2011 erschienenen Film, wie immer mehr Müll in hunderten illegalen "schwarzen Deponien" in weitem Abstand um die Hauptstadt konzentrisch verscharrt wurde. Er nannte diese damals "Pekings siebter Ring". Heute entsteht dort tatsächlich ein siebenter Ring, gemeint ist damit aber die neue, auf 940 Kilometer Länge geplante Autobahn um die Metropole.

"Wohin nur mit dem Müll?", fragte jüngst auch die "Volkszeitung". Neben Chinas Problemen mit Haus-, Industrie- und Sondermüll komme nun der Abfall des Elektronikbooms dazu. Jüngstes Beispiel ist die Verbreitung von Handys. China ist stolz, dass jeder der 1,35 Milliarden Chinesen heute im Durchschnitt ein Mobiltelefon besitzt. Doch das bedeute auch, dass bereits "fast eine Milliarde alter Mobiltelefone" im Müll gelandet sind. Nur zwei Prozent wurden von den Herstellern zurückgenommen. (Johnny Erling aus Peking, 24.10.2017)