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Während das Sparschwein mittlerweile sogar im App-Store als smartes Haushaltsbuch angepriesen wird, macht es in 3D noch immer die schönste Figur.

Foto: Picturedesk / Chromorange / Titus E.Czerski

Die Gemeinde Wien hatte Schwein gehabt. Auf einem Plakat warb die Zentralsparkasse der Hauptstadt 1956 mit einem gelben Sparschwein, das mit einem grün gewandeten Burschen auf dem Rücken einen gewaltigen Sprung durch die Luft macht. "Sie kommen schneller vorwärts", versprachen die soliden Banker.

Wie beliebt das Tier mit dem Schlitz damals war, zeigt der Hinweis der Angestellten, doch bitte "Ihre Heimsparbüchsen vom 1. bis 5. eines jeden Monats nicht zur Entleerung zu bringen. Sie ersparen sich längere Wartezeiten", riet das Schalterpersonal den Kunden, die es als strategisch klug empfanden, ihr Schwein direkt aufs Sparbuch auszuschütten. Doch woher rührt eigentlich die Idee, das Schwein zu einem tierischen Tresor zu küren? Und warum vertrauen wir gerade dem fetten Gesellen unsere sauer verdiente Marie an?

Glücklich, wer ein Schwein besaß

Im finsteren Mittelalter galt ein Bauer mit Schwein als Krösus. In wessen Garten sich ein Borstentier suhlte, der konnte sich glücklich preisen, hatte er doch schließlich dank dessen Fruchtbarkeit einen verlässlich wachsenden Reichtum und darüber hinaus stets ein wenig Geselchtes auf dem Tisch. Einer mit Schwein war also keineswegs ein armes Schwein.

In der Nähe des heutigen Euskirchen im Rheinland soll einst die erste Schweinespardose gestanden haben. Der Mitte des 16. Jahrhunderts auf der Burg Schweinheim residierende Ritter Wilhelm Spies von Büllesheim war – entgegen seiner sonst eher prassenden Zunft – offenbar ein haushaltspolitischer Vorreiter. So soll er, statt alles zünftig zu verjubeln, eine Schweinedose prasselnd mit Silberpfennigen, Heller und bayerischen Batzen gefüttert haben. Später fand ein Landvermesser auf der Burg Scherben und Münzen eines Sparschweins. Die Euskirchner dankten es dem Blaublüter als Erfinder der Münzensau ritterlich und stellten 2007 im Klostergarten als witzige Würdigung ein Denkmal auf. Ein Schwein aus grauem Gusseisen mit dicker Bronzenase.

Die Akkumulation des Kapitals im Schweinebauch ist seit Mittelalterzeiten fast durchgehend eine Erfolgsgeschichte. So erstaunt es wenig, dass das Schwein als Notgroschenspeicher wieder hip ist, irgendwo zwischen Nostalgie und Nützlichkeit. Wenn manche Bankhäuser wackeln und null Zinsen bieten, bleibt das Geld halt in den eigenen vier Wänden, in denen das Schepper-Kloink bei jedem Einwurf so reell nachhallen. Apropos: In Deutschland legt statistisch gesehen jeder rund ein Zehntel seines Einkommens zurück. Das heißt, die Sparquote liegt bei zehn Prozent. In Österreich waren es im letzten Jahr 8,1 Prozent.

Sau-App

Leider ist aus dem schlichten Standardtyp des sparsamen Tieres in schweinchenrosa oft ein Kitschartikel geworden. Die arme Sau wirbt fürs Traumhaus, die Traumhochzeit oder für den Traum auf vier Rädern. Auf dem Weg in die digitale Gesellschaft wird beim Sparschwein nicht an technischem Schnickschnack gespart. Knallpinke Viecher grunzen in frechem Ton "War das schon alles?", spielen auf einem USB-Stick im Bauch des Schweins gespeicherte Musik ab oder zählen automatisch Cent und Euro zusammen und zeigen die Summe an. Auch im App-Store ist das Tier zu finden und wird als smartes Haushaltsbuch angepriesen. Damit kann zwar niemand schweinereich werden, aber Struktur ins Leben bringen. Psychologen erklären, das regelmäßige Einwurfritual gliedere den Tag. Es sei zudem eine Belohnung im Voraus.

Es gibt einige, die weiterhin am Brauch festhalten, das Geld aus dem Sauenbauch direkt zur Sparkasse zu tragen. Nur hat die Zeremonie viel vom einstigen Zauber eingebüßt. Kein freudiges Erwarten mehr, wenn im Tausch gegen den Münzzylinder die großen Scheine ins Portemonnaie wandern. Stattdessen stürzt das Metallgeld im Bankfoyer den Schlund eines Automaten hinunter und wird dem Konto gutgeschrieben.

"Eifrig sparen"

Bis heute ungeklärt ist, ob die Schlachter oder die Schlitzer in der Überzahl sind. Während zweitere mit einer schmalen Pinzette immer wieder versuchen, eingeworfene Geldstücke mit verschmitztem Lächeln durch den Schlitz wieder herauszuholen, sind die Haudraufs gnadenlos und zertrümmern das volle Schwein, bis es in Scherben liegt und die Münzen glänzen.

Der Komiker Heinz Erhardt war ganz offensichtlich kein Klauer, sondern ein Klassiker. In seinem eigenen Duktus sang er: "Und dann hau' ich mit dem Hämmerchen mein Sparschwein (...) kaputt. Mit dem Innenleben (...) geht's mir dann wieder gut."

Weil am Weltspartag traditionell noch immer die Kleinen mit ihren Schweinchen zur Bank gehen und das Geld auf das Konto einzahlen, könnte sich die Finanzbranche ganz im Sinne des Sparschweins der pädagogischen Werbetexte der 1950er-Jahre erinnern. Auf Plakaten riefen pädagogische Verse vor prallen Sparschweinen zu Takt und Tugend auf. "Fleißig lernen, eifrig sparen bringt Erfolg in jungen Jahren", riet 1961 Sparefroh, das Maskottchen des Weltspartages, ein Männchen mit Schillingsbauch und Dreiecksmütze. Die österreichischen Sparkassen warnten nicht weniger oberlehrerhaft: "Wirf nicht dein Geld hinaus – gib es bedachtsam aus." Johann Wolfgang von Goethe gibt sich da schon großzügiger: "Nicht das Sparen allein, um spät zu genießen, macht das Glück." Fest steht: Die Sau ist zurück. Mit einer profitabel wachsenden Anzahl von Usern. Wie heißt es so schön? Schwein gehabt! (Oliver Zelt & Caroline Wesner, RONDO, 28.10.2017)

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