Schriftsteller Wolf Wondratschek.

Foto: Matthias Cremer

Wenn einer einen Preis, den er lange verdient hätte, partout nicht bekommt, dann besteht immer noch die Möglichkeit, ihn mit einem "alternativen" Preis auszuzeichnen. Es gibt Alternative Nobelpreise, einen Alternativen Medienpreis und neuerdings auch einen Alternativen Büchner-Literaturpreis, der am Freitag in Wien an den deutschen Schriftsteller Wolf Wondratschek (74) verliehen wurde.

Dass Wondratschek mit einem viele Jahrzehnte umfassenden lyrischen und erzählerischen Werk, das in der deutschsprachigen Literatur als eigenwilliger Solitär dasteht, bisher mit Preisen nicht eben überschüttet wurde, hat mit seiner konsequenten Verweigerungshaltung der Literaturbetriebsroutine gegenüber zu tun.

Seinen fernab allen medialen Getöses zurückgezogen am Starnberger See lebenden Freund Patrick Süskind, Autor des Millionensellers "Das Parfüm" und des "Kontrabaß", nennt Wondratschek als Vorbild: "Der hat alles richtig gemacht. Mit seinem ersten Buch mehr als zwanzig Millionen verdient, und jetzt sitzt er zu Hause und putzt in der Küche Linsen." Auch Wondratschek lebt seine eigenen Rhythmen: Er weiß, dass seine Werke "lange Inkubationszeiten" haben und in manchen Lebensphasen das Spazierengehen notwendiger ist als das Schreiben.

Scharmützel um Benutzung der Sitzlehne

Gestiftet wurde der Alternative Büchnerpreis von dem deutschen Unternehmensberater, Investor und Mäzen Helmut Maier, wie Wondratschek ein Wien-Liebhaber, der es sich vorgenommen hat, die Hälfte seines Vermögens in die Förderung der Literatur zu stecken (Wondratschek: "Was ist mit der anderen Hälfte?").

Kennengelernt haben sich Maier und Wondratschek als Sitznachbarn auf einem Flug von Paris nach Wien, bei dem ein Scharmützel um die Benutzung der Sitzlehne in den Weg zu einer langen Freundschaft mündete. Maier hat Wondratscheks jüngsten Roman "Selbstbild mit Ratte", für den dieser länger keinen Verleger fand, aufgekauft und diesem so zu einem "Bestseller mit der Auflage 1" ("FAZ") verholfen: Außer Maier und Wondratschek ist niemandem der Inhalt des Werks bekannt.

Es gibt keine Alternativen

Bei der Verleihungszeremonie (im Publikum: auffallend viel Schauspielprominenz, Klaus Maria Brandauer, Paulus Manker, Peter Simonischek) begründete Wondratschek im Gespräch mit dem deutschen Starfotografen Jim Rakete, warum er für das Wort "alternativ" keine Sympathien hegt – Tenor: Es gibt im Leben keine Alternativen, man muss sich ihm stellen, wie es ist.

Und er bedankte sich für den Preis mit einer fulminanten Rede, die keinen Zweifel daran aufkommen ließ, dass Wondratschek des Alternativen Büchnerpreises ebenso würdig ist, wie er es des "eigentlichen" Büchnerpreises wäre. Wondratschek redete dem Geheimnisvollen der Poesie das Wort, die auf ihrem Weg in die Dunkelheit keine Grenzen kennen dürfe und sich vom "Fluch des Bedeutens" befreien müsse, um wieder zu "Magie und Offenbarung" zu werden.

Die Verleihung des "eigentlichen" Büchnerpreises an den deutschen Lyriker Jan Wagner wird übrigens am kommenden Samstag im Staatstheater Darmstadt stattfinden. (Christoph Winder, 24.10.2017)