Wien – In Erdkruste und Erdmantel, der äußeren Silikathülle der Erde, sollte theoretisch eine ganze Menge des Übergangsmetalls Niob vorhanden sein. Festgestellt wurde allerdings nur sehr wenig davon, was Geologen bisher vor ein Rätsel stellte. Forscher der Universitäten Köln, Bonn und Wien dürften nun das Mysterium um diese Differenz gelöst haben: Im Fachjournal "Nature Geoscience" berichten sie, dass sich das Niob bereits bei der Entstehung der Erde in ihrem Metallkern angesammelt hat.

Chemische Elemente sind – abhängig von den äußeren Bedingungen – entweder metall- oder silikatliebend. "Diese Eigenschaft hat uns bisher vermuten lassen, dass das eigentlich silikatliebende Niob in der äußeren Silikathülle der Erde konzentriert sein müsste", erklärte Toni Schulz vom Department für Lithosphärenforschung der Universität Wien.

Zu wenig Niob im Erdmantel

Das seltene Element Niob kommt aber in Gesteinen aus dem Erdmantel und der Oberfläche nur in sehr geringen Konzentrationen vor (ein Gramm Niob pro Tonne Gestein und weniger). Das ist in Summe rund 20 Prozent weniger als man für die äußere Silikathülle der Erde berechnet hat. Als Erklärung dafür wurde etwa ein verstecktes Niob-Reservoir im Erdmantel vermutet, an das man durch Bohrungen nicht herankommt.

Die Arbeit des Geochemikers Carsten Münker von der Uni Köln, sowie seiner Kollegen Raul Fonseca (Uni Bonn) und Toni Schulz hat nun eine andere Erklärung dafür gefunden. Ihr Ursprung liegt in der Wachstumsphase der jungen Erde vor mehr als 4,5 Milliarden Jahren. Damals ballten sich Asteroiden mit Durchmessern von wenigen bis zu mehreren Dutzend Kilometern zusammen, bis die Erde auf ihre heutige Größe angewachsen war.

Unerwartete Wanderung

Schulz hat nun sehr genaue Messungen des Niob-Gehalts in Meteoritenbruchstücken aus dem Asteroidengürtel durchgeführt – die einzigen ursprünglichen Überbleibsel aus der Frühzeit des Sonnensystems. Entgegen den Annahmen zeigte sich, dass das Niob vor allem in den metallischen Kernen der Asteroiden und nicht in deren silikatreichen äußeren Hüllen vorkommt. Offensichtlich ist das Niob vor mehr als 4,5 Milliarden Jahren bei dem durch Radioaktivität verursachten Aufschmelzen der Asteroiden in die Metallphase gewandert.

Experimente in Bonn zeigten nämlich, dass sich Niob bei vergleichsweise niedrigem Druck, wie er etwa in aufgeschmolzenen Asteroiden herrschte, nicht silikat- sondern eher metallliebend verhält. "Dadurch konnte das Niob in die Kerne dieser Bausteine der Erde wandern", so Schulz. Und dort blieb es auch, als sich die Asteroiden zusammenballten und die Erde formten. "Das Niob blieb dann im Erdkern, ohne jemals die Chance zu bekommen, sich wieder im Erdmantel zu verteilen", sagte der Geochemiker. (APA, red, 24.10.2017)