Keine personellen Wünsche, dafür drei Grundvoraussetzungen: ÖVP-Chef Sebastian Kurz nennt Bedingungen für eine Koalition – aber keine, die unüberwindbar scheinen.

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Wien – Am liebsten hätte Sebastian Kurz ja schon am Dienstag mit den Regierungsverhandlungen begonnen. Tatsächlich kann der ÖVP-Chef die Gespräche über eine Koalition mit seinem Wunschpartner FPÖ am Mittwochmittag aufnehmen.

Am Dienstag hatte Kurz die Freiheitlichen offiziell als seinen Wunschpartner für eine Koalition benannt und diesen ein formelles "Angebot" für Regierungsverhandlungen gemacht. Nicht zuletzt deswegen, weil er bei SPÖ-Chef Christian Kern "relativ wenig Interesse an einer türkis-roten Zusammenarbeit" und dem Amt als Vizekanzler gesehen habe. Bei FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache hingegen hatte er den "Eindruck eines starken Gestaltungswillens". Darum möchte er mit der FPÖ "bis Weihnachten" eine Regierung zustande bringen.

Kurz stellt keine personellen Bedingungen

Personelle Bedingungen gebe es von seiner Seite keine, sagte Kurz, aber drei Grundvoraussetzungen: neuer Stil im Umgang miteinander, der Wille für notwendige Veränderungen und eine "klare proeuropäische Ausrichtung", die sich vor allem für ein "subsidiäres Europa" einsetzen solle.

Auch die ZIB berichtete über den Beginn der Verhandlungen.
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FPÖ und ÖVP verbänden gemeinsame Ziele wie eine Steuerreduktion und die Beschränkung der Migration, es gebe aber auch Trennendes. Jedenfalls wolle er "rasch" und "zügig" zu einem Koalitionspakt kommen: "Jetzt liegt der Ball einmal bei der FPÖ."

Diese ließ sich nicht lange zum Doppelpass bitten. Alte Beleidigungen seien ausgeräumt, berichtete FPÖ-Generalsekretär Herbert Kickl drei Stunden nach dem Kurz-Auftritt in einem gesteckt vollen Presseraum des Parteiquartiers über die ersten türkis-blauen Avancen. Die ÖVP werde immer die alte ÖVP bleiben, hatte es im Wahlkampf noch von blauer Seite geheißen – nun wandte sich Kickl bereits an "die neue Volkspartei".

FPÖ will keine Deadline

Doch "positive Atmosphäre" (Kickl) hin oder her: Es solle sich niemand täuschen, sagte FPÖ-Chef Strache, "an Schmeicheleien sind wir nicht interessiert". Ein Koalitionspakt müsse mehr beinhalten als vage Überschriften, deshalb werde sich die FPÖ auch nicht drängen lassen. "Zügig, aber nicht überstürzt" wolle er verhandeln, kündigte Strache an, die von Kurz auf Weihnachten gesetzte Deadline sei nicht die seine: "Wir werden es der ÖVP nicht einfach machen."

Die Reaktion der Sozialpartner ließ nicht lange auf sich warten.
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Dass die Koalition an der Europafrage scheitert, lassen Straches erste Signale nicht vermuten. Keine Rede mehr von Plebisziten über einen Austritt, stattdessen ein Bekenntnis zu einer subsidiären EU analog zu Kurz. Im Verständnis des FPÖ-Chefs: "Weniger, aber dafür besser."

Strache erwartet keine Probleme mit Van der Bellen

Kein bisschen angriffslustig reagierte Strache auch darauf, dass Präsident Alexander Van der Bellen bereits Vorbehalte gegen einen blauen Innen- und Außenminister geäußert haben soll. Grundsätzlich habe jede demokratisch ins Parlament gewählte Partei als regierungsfähig zu gelten: "Ich kann mir nicht vorstellen, dass das jemand in Abrede stellt."

Einmal wird die FPÖ aber noch Opposition zum Partner in spe sein. Vor der Wahl hatte sie im Nationalrat mit SPÖ und Grünen eine Reihe von Vorhaben gegen die ÖVP durchgesetzt, so etwa eine Aufbesserung der Notstandshilfe und die Gleichstellung von Arbeitern und Angestellten. Bei der Bundesratssitzung am Mittwoch werde sein Klub all das weiterhin mittragen, versprach Strache.

Parallel dazu wird aber das blaue Verhandlungsteam zur ersten Runde der Koalitionsverhandlungen aufbrechen. Mit von der Partie sind Strache, Kickl, Vizeparteichef Norbert Hofer, Klubdirektor Norbert Nemeth als juristische Kapazität sowie die Abgeordnete Anneliese Kitzmüller als Vertreterin der einflussreichen oberösterreichischen Landespartei. Auch das ÖVP-Team steht: Diesem werden neben Kurz die Generalsekretäre Elisabeth Köstinger und Stefan Steiner sowie VP-Wien-Chef Gernot Blümel und ÖVP-Vizechefin und Casinos-Vorständin Bettina Glatz-Kremsner angehören.

Kern erwartet "ideologische Uraltkoalition"

Und wenn das Projekt doch scheitern sollte? SPÖ-Chef Kern hatte auf Nachfrage im "ZiB 2"-Interview grundsätzliche Bereitschaft gezeigt, eine ÖVP-geführte Minderheitsregierung zu stützen, sollte gar keine Koalition zustande kommen. Kurz dazu: Er sei "froh, dass es diese Bereitschaft zumindest angeblich gibt".

Was er aber für wahrscheinlicher halte, formulierte Kern via Facebook: eine "ideologische Uraltkoalition der beiden rechtsgerichteten, rechtspopulistischen Parteien". (Gerald John, Lisa Nimmervoll, 24.10.2017)