Bild nicht mehr verfügbar.

Albrecht Glaser (links) stellt die Religionsfreiheit für Muslime infrage, da er den Islam nicht als Religion sieht, sondern als Ideologie. Als Kandidat für das Amt des Vizepräsidenten im Bundestag fiel er durch.

Foto: REUTERS/Fabrizio Bensch

"Sie kommen. Da, der Gauland. Der hat schon wieder das gleiche Sakko an. Wo ist Frauke Petry? Ah ja, die sitzt ganz hinten, allein." Als die AfD am Dienstag kurz vor elf Uhr ins Plenum zur konstituierenden Sitzung des Deutschen Bundestags einzieht, da sind alle Blicke der Besucher und Journalisten auf die Neulinge gerichtet.

Es ist eine Premiere: Zum ersten Mal seit Jahrzehnten ist nun eine Partei rechts der Union im Hohen Haus vertreten. 12,6 Prozent hat die AfD bei der Bundestagswahl am 24. September geholt. Sie ist damit die größte der kleinen Parteien, stärker als die FDP, die Linke und die Grünen.

Und ein Platz hat sich auch gefunden. Lange wurde diskutiert, weil keine der anderen Fraktionen neben der AfD sitzen wollte. Doch nun nehmen alle auf ihren Stühlen Platz. Vom Rednerpult aus gesehen zunächst ganz rechts die AfD, in der ersten Reihe ihre Fraktionschefs Alexander Gauland und Alice Weidel, daneben die FDP, dann die Union, die Grünen, die SPD, ganz links die Linken.

AfD gibt den Takt vor

Halbwegs neu ist auch die FDP. Sie hat ja die vergangenen vier Jahre in der außerparlamentarischen Opposition verbracht, jetzt ist der Wiedereinzug gelungen. Doch es ist die AfD, die gleich den Takt vorgibt. Es dauert keine Minute, da liegt schon ihr erster Antrag vor: Sie will für diese erste Sitzung einen eigenen Versammlungsleiter wählen lassen und den Alterspräsidenten Hermann Otto Solms (FDP) nicht akzeptieren. Das Begehr wird einstimmig abgelehnt.

Auch die SPD kommt mit einem Antrag. Sie möchte künftig die Kanzlerin vier Mal im Jahr im Plenum befragen können. "Sie haben in diesem Wahlkampf jeden politischen Streit um die besseren Ideen und Konzepte, jede Debatte um die besten Argumente verweigert", wirft ihr Carsten Schneider (SPD) vor und geht noch weiter: "Ihr Politikstil, Frau Merkel, ist ein Grund dafür, dass wir heute eine rechtspopulistische Partei hier im Bundestag haben."

Jamaika funktioniert schon

Man merkt: Die SPD, die noch geschäftsführend in der Regierung vertreten ist, befindet sich im Bundestag bereits in Opposition. Doch auch auf der anderen Seite sind die Rollen schon eingenommen. Union, FDP und Grüne sondieren zwar außerhalb des Hohen Hauses noch, lehnen aber im Bundestag gleich einmal den SPD-Antrag auf Befragung der Bundeskanzlerin ab, sondern verweisen den Antrag an den Ältestenrat.

FDP-Mann Solms ist nicht lange im Amt. Zwei Stunden nach Beginn der Sitzung wird der bisherige Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) zum neuen Bundestagspräsidenten gewählt. Es ist das Amt, das sein Lebenswerk krönen soll. Für Merkel ist diese Personale ganz praktisch. Sie kann bei den Jamaika-Verhandlungen das Finanzministerium als Verhandlungsmasse einsetzen.

Gegen Prügeleien

Schäuble sorgt nach seiner Wahl gleich für Heiterkeit, als er die Mikrofonanlage nicht bedienen kann. Als es gelingt, mahnt er die 709 Abgeordneten, die den größten Bundestag der Geschichte bilden. "Demokratischer Streit ist notwendig. Aber es ist Streit nach Regeln", mahnt er und fügt hinzu: "Prügeln sollten wir uns hier nicht."

Streit gibt es später doch bei der Wahl seiner Vizepräsidenten. Jeder Fraktion steht ein Stellvertreter zu, alle bekommen einen, nur die AfD nicht. Sie hat Albrecht Glaser aufgestellt, einen Abgeordneten, der die Religionsfreiheit für Muslime infrage stellt, da er den Islam nicht als Religion sieht, sondern als Ideologie.

Im ersten Wahlgang erhält er 115 Stimmen. Das ist zwar mehr als die 92 Stimmen, über die die AfD verfügt, reicht aber nicht. Ein ähnliches Bild ergibt sich nach dem zweiten Wahlgang. 123 Abgeordnete stimmen für Glaser, es reicht wieder nicht. Die AfD kündigt danach an, einen dritten und letzten Wahlgang zu fordern.

Er wird durchgeführt und wieder gibt Schäuble bekannt, Glaser habe keine Mehrheit erreicht. Die AfD bleibt also zunächst ohne Vizepräsidenten, es gibt auch keine Möglichkeit, in dieser Sitzung einen neuen Kandidaten aufzustellen. Das ist erst im November möglich. Letzter Tagesordnungspunkt der ersten Sitzung: Man singt die Nationalhymne. (Birgit Baumann aus Berlin, 24.10.2017)