Aus Kabul und Bagdad kehrte US-Außenminister Rex Tillerson noch einmal nach Katar zurück, um weiter nach Pakistan zu fliegen. Zuvor war er auch in Saudi-Arabien gewesen.

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Bagdad/Wien – Wenn sich ein US-Außenminister nach Kabul und Bagdad begibt, dann ist das sechzehn Jahre nach dem Sturz der Taliban beziehungsweise dreizehneinhalb nach jenem Saddam Husseins noch immer ein Sicherheitsrisiko und wird deshalb zum "Überraschungsbesuch". In Afghanistan, von wo aus Rex Tillerson am Montag in den Irak weiterreiste, suchen die USA noch immer nach einer neuen Strategie, im Irak betätigen sie sich als einsame Rufer in der Wüste: Tillerson forderte die irakische Zentralregierung und die Kurden zum Dialog auf. Sowohl in Bagdad als auch in Erbil hätten die USA Freunde, sagte er.

Die USA wollen, dass die Regierung von Premier Haidar al-Abadi die Notbremse zieht und die vergangene Woche gestartete Offensive gegen die kurdische Autonomieregion stoppt: Denn längst scheint es nicht nur um jene Gebiet zu gehen, auf die die Kurden ihre Verwaltung 2014, als die irakische Armee vor dem "Islamischen Staat" (IS) floh, ausgedehnt hatten – wie zum Beispiel Kirkuk. Die Einheiten der "Volksmobilisierung" (al-Hashd al-Shaabi), in diesem Fall mehrheitlich Iran-freundliche schiitische Milizen, würden die Kurden territorial gerne noch weiter zurückdrängen.

Auch in den zwischen Arabern und Kurden "umstrittenen" Gebieten. in dem sich auch nicht-kurdische Minderheiten befinden, hatten die Kurden am 25. September ihr Unabhängigkeitsreferendum abhalten lassen. Das war, nach Verstreichen eines Ultimatums, der Grund für Bagdads militärisches Eingreifen. Auch am Freitag wurde weiter gekämpft.

"Ami go home"

Die verkürzt "Hashd" genannten Paramilitärs, die nominell der irakischen Armee angeschlossen sind und aus Irakern bestehen, hatte Tillerson am Sonntag in Saudi-Arabien als "iranische Milizen" bezeichnet und aufgefordert "heimzugehen": Der Kampf gegen den IS sei beendet. Mit der gleichen Aufforderung replizierte am Montag einer der mächtigen Milizenführer, Qais al-Khazali, ganz modern per Twitter: Die Ausrede für die US-Truppen, sich im Irak aufzuhalten – der IS – sei weg, die Amerikaner sollten unverzüglich abziehen, sagte der Chef der Asaib Ahl al-Haq.

Zuvor hatte bereits das Büro von Premier Abadi die Worte Tillersons als Einmischung zurückgewiesen und die großen Opfer, die die Hashd für die Verteidigung des Irak gebracht hätten, gewürdigt. Abadi sagte aber das Treffen mit Tillerson in Bagdad nicht etwa ab, wozu ihn ein anderer Milizenführer, Hadi al-Amri (Badr-Miliz), aufgefordert hatte.

Immerhin erinnerte Tillerson bei seinem Pressestatement im Irak aber auch die Kurden an die irakische Verfassung und die Einheit des Irak. Das ist wiederum Balsam in Abadis Ohren – und wird von vielen Kurden als Verrat empfunden. Allerdings hatte Washington der kurdischen Regionalregierung unter Präsident Massud Barzani die US-Position, zur irakischen Integrität zu stehen, nie verheimlicht.

Externe Akteure einig

Die äquidistante US-Position zum Verhältnis zwischen Kurdistan und Bagdad wird auch von Russland repliziert. Moskau fordert von den Kurden, sich an die Verfassungsvorgaben zu halten, und weist gleichzeitig irakische Wünsche zurück, den Kontakt mit Erbil abzubrechen. Genau so hält es auch die Europäische Union.

Wenn die USA mit Bagdad und Erbil zwischen zwei Stühlen sitzen, so muss Premier Abadi jedoch einen noch viel schwierigeren Spagat schlagen: nicht nur zwischen den USA und dem von Präsident Donald Trump wieder zum Erzfeind herabgestuften Iran, sondern auch zwischen dem Iran und Saudi-Arabien.

Das angespannte Verhältnis zwischen Bagdad und Riad hatte sich zuletzt deutlich verbessert: Saudi-Arabien begleitet seine Politik der Härte gegen den Iran (und gegen Katar) mit diplomatischen Avancen, die auch den sunnitischen Sektor im Irak rückversichern sollen. Der Schiit Abadi besuchte – wie Tillerson auch – am Wochenende einen gemeinsamen saudisch-irakischen "Koordinationsrat" im wahhabitischen Königreich und wurde von König Salman empfangen.

Erster Linienflug Riad-Bagdad

Vergangene Woche gab es nach 27 Jahren wieder den ersten Linienflug zwischen Riad und Bagdad. Die Flugverbindung war 1990, nach dem Überfall Saddam Husseins auf Kuwait, eingestellt worden. Auch nach Saddams Sturz 2003 blieben die Beziehungen schlecht. Wie andere sunnitische arabische Länder war Saudi-Arabien davon überzeugt, dass der Irak zur Marionette Teherans geworden war.

Den iranischen Einfluss im Irak gibt es tatsächlich, und Abadi kann ihn nicht ungeschehen machen, auch wenn er um das Gewaltmonopol des Staates ringt. Aber von einer Auflösung der Milizen ist der Irak weit entfernt. Das Thema führte 2016 auch zum Eklat zwischen der irakischen Regierung und dem saudischen Botschafter, Thamir al-Sabhan, der Bagdad nach wenigen Monaten wieder verlassen musste. Er hatte den schiitischen Milizen vorgeworfen, für den konfessionellen Konflikt im Irak verantwortlich zu sein, und später behauptet, sie planten ihn zu ermorden. (Gudrun Harrer, 24.10.2017)