Die Côte d'Azur ist in Frankreich der Treffpunkt der Schönen und Reichen. Besitzer von Luxusyachten wie dieser in Cannes sollen trotz der Abschaffung der Vermögenssteuer weiter zur Kasse gebeten werden.

Foto: Imago / Mandoga Media

"Wer will Millionen verdienen?", fragt die Zeitung "L'Alsace" in Anspielung auf eine einst gleichnamige und beliebte Glücksspielsendung im französischen Fernsehen. Jetzt dreht sich das Rad der Fortüne wieder – und die Antwort lautet: natürlich die Millionäre.

Deren 343.000 zahlen in Frankreich derzeit die Vermögenssteuer, "impôts de la solidarité sur la fortune" (ISF) benannt, die bei Beträgen über 1,3 Millionen Euro anfällt. Das Land der großen Revolutionen ist eines der letzten Länder in der EU, die noch eine eigentliche "Reichensteuer" kennen. Eingeführt hatten sie die Sozialisten, nachdem sie 1981 unter François Mitterrand an die Macht gekommen waren. Seither hat das Kürzel ISF höchsten politischen Symbolwert. Ihr ökonomischer Sinn ist hingegen umstritten: Die meisten Ökonomen sind sich einig, dass sie makroökonomisch kontraproduktiv ist und eine Steuerflucht ins Ausland bewirkt, die stärker zu Buche schlägt als die Erträge von vier bis fünf Milliarden Euro pro Jahr.

Wahlkampfversprechen

Der Pragmatiker Emmanuel Macron hatte deshalb schon im Wahlkampf angekündigt, dass er die ISF abschaffen und durch eine reine Steuer auf – wirtschaftlich unproduktive – Immobilien ersetzen würde. Letztere dürfte nur noch knapp eine Milliarde Euro einbringen. Wichtiger wäre der Investitionseffekt, behauptet Macron, der auch die Kapitalerträge neu mit 30 Prozent pauschalbesteuert. Das bewegliche Vermögen aus Aktien oder Dividenden werde der französischen Wirtschaft zugutekommen und deren chronische Unterkapitalisierung beheben, argumentiert der Präsident, darauf hoffend, dass die Großvermögen en masse in die Heimat zurückkehren werden.

Bloß hat sich in Macrons Rechnung irgendwo ein Fehler eingeschlichen. 68 Prozent der Franzosen sind laut Umfragen gegen sein Vorhaben, und die Linke läuft dagegen geschlossen Sturm. Was die Reform des Arbeitsrechts nicht geschafft hat, gelingt durch Abbau der Reichensteuer: Erstmals gerät der jungdynamische Präsident im Élysée-Palast wirklich in die Defensive, denn gleichzeitig plant die Regierung auch Sozialeinschnitte. Das Wohngeld soll zum Beispiel um fünf Euro sinken.

Unproduktive Yacht

"Eine Yacht ist nicht gerade wirtschaftsproduktiv", raunzte der Linksabgeordnete Joël Giraud mit Verweis auf die neuen "Steuergeschenke für die Ultrareichen". Die Regierung erklärte sich nach einigem Zögern bereit, Luxusobjekte wie Antiquitäten – oder eben auch Yachten – weiter zu besteuern.

Der Macron-Abgeordnete François-Michel Lambert versuchte die Wogen zu glätten: "Wenn wir in zwei Jahren sehen, dass die Steuerbefreiten nur Ferraris oder eine Villa an der Côte d'Azur kaufen, setzen wir die Vermögenssteuer halt wieder in Kraft." Auch Wirtschaftsminister Bruno Le Maire will in zwei Jahren Bilanz ziehen, ob der Wegfall der ISF der französischen Wirtschaft Impulse verliehen habe.

Mit diesem Versprechen segnete die Nationalversammlung die Aufhebung der Reichensteuer am Freitag provisorisch ab. Am Dienstagabend erfolgte die feierliche Schlussabstimmung, wobei Macrons Partei La République en Marche auf ihre Mehrheit setzen konnte. 365 Mandatare stimmten dafür, 172 dagegen.

Für den Staatspräsidenten ist es allerdings ein Pyrrhussieg. Nachdem er schon über "Faulpelze" gelästert hat, wird er nun weithin als "Präsident der Reichen" betitelt. Dieses Etikett wird wohl an ihm kleben bleiben. Und seinen Reformeifer einschränken. (Stefan Brändle aus Paris, 25.10.2017)