Die britische (Epi-)Genetikerin Denise Barlow forschte viele Jahre in Wien und machte in dieser Zeit wichtige Entdeckungen.

Matthias Cremer

Wien – Denise Barlows Karriere war nicht so geradlinig wie sie selbst als Persönlichkeit und als Forscherin. Womöglich hat beides dazu beigetragen, dass die britische Genetikerin zu einer Pionierin im Bereich der genetischen Prägung (Englisch: genetic imprinting) und der Epigenetik wurde.

Barlow machte zuerst eine Ausbildung als Krankenschwester, ehe sie Zoologie und Biochemie an der Universitäten Reading, Warwick und Oxford studierte. Nach ihrer Dissertation an der Uni Warwick forschte sie mehrere Jahre in London und war als Post-doc Fellow am European Molecular Biology Laboratory (EMBL) Heidelberg.

Wichtige Karrierestationen in Wien

Von 1988 bis 1995 war sie Gruppenleiterin an Institute of Molecular Pathology (IMP) in Wien, danach übernahm sie eine Gruppenleitung am Netherland's Cancer Institute in Amsterdam. Von 2003 bis 2015 war Denise Barlow wieder zurück in Wien Principal Investigator am CeMM, dem Center for Molecular Medicine der ÖAW.

Vor allem während ihrer Zeit in WIen hat Denise Barlow wesentlich zur Entwicklung des Forschungsfeldes des genetic imprinting beigetragen. Ihre Arbeiten wurden in führenden Wissenschaftsmagazinen, wie "Nature", "Cell" und "Science" veröffentlicht. In einer bahnbrechenden Arbeit gelang es ihr 1991 erstmals, ein geprägtes Gen, den Wachstumsfaktor IGF2R (Insulin-like Growth Factor Type 2 Receptor) bei der Maus zu identifizieren.

Aufschlüsse über geprägte Gene

Barlow konnte zeigen, dass das geprägte Gen die Funktion eines embryonalen Wachstumshemmers ausübt, und hat damit die Grundlage für Erklärungsmodelle gelegt, warum geprägte Gene in der Tierwelt nur bei Säugetieren zu finden sind. Die weitere Entdeckung der epigenetischen Markierung, die einem Gen eine elternspezifische Prägung gibt, hat es der Wissenschaftlerin später ermöglicht, das Kontrollelement der Prägung ICE (wissenschaftliche Abkürzung für "Imprint Control Element") zu identifizieren.

Mit ihrer Forschungsgruppe am CeMM schließlich konnte sie einen neuartigen Mechanismus der Gen-Abschaltung (Englisch: Gene Silencing) in Säugetieren identifizieren, indem sie zeigen konnte, dass dieses lncRNA Molekül – völlig unerwartet – Gene lediglich durch seine Herstellung (Transkription) stilllegt.

Vorbild für Forscherinnen

Denise Barlow war, worauf auch CeMM-Direktor Giulio Superti-Furga in seinem Nachruf hinweist, ein internationales Vorbild für junge Wissenschaftlerinnen, die gerade in Europa in führenden Positionen stark unterrepräsentiert sind. Als Mentorin hat sie zur Ausbildung zahlreicher österreichischer Forscherinnen und Forscher durch die Betreuung der Arbeiten von 14 Doktorandinnen und Doktoranden sowie 13 Diplom- und Masterstudentinnen und -studenten beigetragen.

In Anerkennung ihrer Leistungen wurde Denise Barlow im Jahr 1995 zum EMBO Mitglied gewählt und erhielt 2004 eine Ehrenprofessur für Genetik an der Universität Wien. Für ihr Lebenswerk erhielt sie im Juli 2014 die "Austrian Chapter Achievement Award-Medaille" des EMBL Alumni Association e.V. und im gleichen Jahr den Erwin Schrödinger-Preis der ÖAW.

Denise Barlow starb am Samstag nach längerer Krankheit. (tasch, 24.10.2017)