Groningen – Der Gravitationslinseneffekt zählt zu den wichtigsten Anwendungen der Allgemeinen Relativitätstheorie in der Kosmologie. Albert Einstein selbst hielt ihn für unbedeutend, aber tatsächlich erlauben Gravitationslinsen Astronomen heute die Beobachtungen von Objekten, die sonst nicht sichtbar wären.

Da Licht durch Objekte mit großer Masse abgelenkt wird, kann die Gravitation ähnlich wie eine Linse wirken: Die ursprüngliche Lichtquelle kann aus unserer Sicht verschoben, verzerrt und mehrfach abgebildet werden. Besonders nützlich ist das natürlich dann, wenn das Bild verstärkt wird und ein ansonsten nicht sichtbares Objekt, etwa eine ferne Galaxie, beobachtbar wird.

Video: Simulation einer starken Gravitationslinse.
HubbleESA

Ein internationales Forscherteam um Carlo Enrico Petrillo (Universität Groningen) hat nun eine neue Methode entwickelt, um Gravitationslinsen in großen astronomischen Datensätzen aufzuspüren: Sie nutzten dazu ein sogenanntes Convolutional Neural Network, ein künstliches neuronales Netzwerk, wie es in vielen Technologien der künstlichen Intelligenz, vor allem im Bereich der Bild- oder Audiodatenverarbeitung, eingesetzt wird.

Effektive Analyse

Das in den "Monthly Notices of the Royal Astronomical Society " veröffentlichte Ergebnis eines ersten Suchlaufs: die Entdeckung von 56 potenziellen Gravitationslinsen. Für ihre Studie trainierten Petrillo und Kollegen den von biologischen Lernprozessen inspirierten Algorithmus mit Millionen von computergenerierten Aufnahmen von Gravitationslinsen, ehe sie ihn mit Datensätzen des Very Large Telescope der Europäischen Südsternwarte in Chile konfrontierten.

Einige Beispielbilder von Gravitationslinsen, mit denen der Algorithmus trainiert wurde.
Foto: Enrico Petrillo/University Groningen

Prompt spuckte das Programm 761 mögliche Kandidaten aus. Bei der menschlichen Durchsicht musste zwar ein großer Teil davon wieder verworfen werden, übrig blieben aber immerhin 56 aussichtsreiche Entdeckungen. Der Aufwand für die Astronomen, zu diesem Ergebnis zu kommen, war unvergleichlich geringer als sonst.

Künftiges Werkzeug

Ob es sich bei den Funden tatsächlich um Gravitationslinsen handelt, könnte etwa das Weltraumteleskop Hubble klären. Zumindest ein Teilerfolg ist aber schon jetzt gewiss: Unter den Funden sind auch zwei Gravitationslinsen, die bereits zuvor bekannt waren und somit bestätigt sind. Eine dritte bekannte Linse übersah der Algorithmus allerdings – sie war deutlich kleiner als die im maschinellen Lernprozess verwendeten Beispiele.

Im Bild: das Einsteinkreuz im Sternbild Pegasus. Durch die Gravitationslinse einer 400 Millionen Lichtjahre entfernten Galaxie entstehen vier Bilder eines Quasars mit etwa acht Milliarden Lichtjahren Distanz. Die helle Region in der Mitte des Kreuzes ist der Galaxienkern.
Foto: Nasa / Esa / STScI

Die Wissenschafter wollen den Algorithmus nun verfeinern und demnächst neue Suchläufe starten. "Es ist das erste Mal, dass ein Convolutional Neural Network für eine solche Suche eingesetzt wurde", sagte Petrillo. "Ich denke, das wird zur Norm werden: Künftige astronomische Erhebungen werden so große Datenmengen erzeugen, dass wir einfach nicht genug Astronomen haben, um damit fertigzuwerden." (David Rennert, 26.10.2017)