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Der Mord an Daphne Caruana Galizia hat große Anteilnahme der Bevölkerung hervorgerufen.

Foto: REUTERS/DARRIN ZAMMIT LUPI

Drogengelder, organisierte Kriminalität, Steuerbetrug: Die Liste an Delikten, die nicht ganz zufällig über Malta laufen sollen, könnte noch um einiges verlängert werden. Seit der Ermordung der Aufdeckerin Daphne Caruana Galizia wird verstärkt thematisiert, warum die Mittelmeerinsel systematische Verbrechen nicht stärker bekämpft oder gar duldet. Und: Warum die EU-Kommission angesichts der seit Jahren anhaltenden Vorwürfe, Malta sei eine Steueroase und Paradies für Geldwäscher, konsequent wegschaut.

Diese Haltung Brüssels scheint sich auch nach dem mit einer Plastiksprengstoffbombe am Auto der Journalistin verübten Attentat nicht grundsätzlich zu ändern, internationaler Aufschrei hin oder her. Einblick in die Ansichten der EU-Kommission gibt nun eine Beantwortung einer Anfrage der Grünen im EU-Parlament, die dem STANDARD vorliegt.

Geldwäsche im Fokus

Die Fraktion hatte ausgehend von den Erkenntnissen aus den Panama-Papers und den "Malta Files", die zahlreiche Verbindungen einflussreicher maltesischer Politiker und Wirtschaftsmagnaten zu Briefkastenfirmen in der mittelamerikanischen Steueroase offenbarten, im Juni einige Fragen an den Kommissionspräsidenten Jean-Claude Juncker gestellt. Im Kern ging es darum, ob Malta die Geldwäscheregeln der EU missachtet.

Keine systematische Verletzung der EU-Regeln

Die aus Sicht der Grünen "enttäuschende Antwort" liegt nun vor. Trotz der massiven Anschuldigungen, die nicht zuletzt von Daphne Caruana Galizia vorgebracht wurden, sieht Brüssel keine Anzeichen, die "einen systematischen Bruch von EU-Recht vermuten lassen". In dem von Justizkommissarin Věra Jourová verfassten Schreiben wird deshalb auch bekundet, dass die Behörde kein Vertragsverletzungsverfahren einleiten werde.

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Bei der Aufklärung des Mordes an Daphne Caruana Galizia soll Europol mitwirken, fordert das EU-Parlament.
Foto: REUTERS/DARRIN ZAMMIT LUPI

Die Tschechin erklärte lediglich, weitere Informationen über politisch exponierte Persönlichkeiten einzuholen. Dabei geht es um einen Vertrauten von Premier Joseph Muscat, der von Caruana Galizia mit Geldwäsche in Verbindung gebracht wurde. Er bestreitet die Vorwürfe. Für politisch exponierte Persönlichkeiten sind in der EU-Geldwäscherichtlinie erhöhte Vorsichts- und Offenlegungsstandards vorgeschrieben, die insbesondere für Banken gelten.

Genau hier hakten die Ermittler ein. Der Kabinettschef von Regierungschef Muscat und ein früherer Energieminister sollen nicht nur Panama-Konten unterhalten – es soll auch Verbindungen zu Schmiergeldern aus Aserbaidschan geben. Darin verwickelt: die Gattin Muscats und die Tochter des Machthabers von Aserbaidschan. All die Transaktionen sollen über die kleine Pilatus Bank in Malta gelaufen sein. Dazu kommen noch mutmaßliche Bestechungsgelder aus dem Verkauf von Pässen, bei denen es ebenfalls Spuren zum Kabinettschef des Premiers geben soll.

Keine Anklagen

Was im EU-Parlament sauer aufstößt, ist die Untätigkeit der Justiz. Zwar hat die Geldwäschebehörde in Valletta mehrere zwielichtige Zusammenhänge aufgedeckt, Anklagen wurden aber nie erhoben. Im Abgeordnetenhaus kocht es. Schon vor einer Woche wurde eine unabhängige Untersuchung des Attentats gefordert.

Angehörige von Caruana Galizia bei einer Schweigeminute im EU-Parlament.
Foto: AFP/PATRICK HERTZOG

"Der Mord zeigt, wie tief der Sumpf aus Geldwäsche, Korruption und Steuerhinterziehung ist und wie riesig der Handlungsbedarf ist", erklärt der österreichische Delegationsleiter der ÖVP, Othmar Karas. Der grüne Abgeordnete Sven Giegold sagte zum STANDARD, dass Caruana Galizia möglicherweise noch am Leben wäre, hätte die EU früher und energischer eingegriffen.

Nun legen die Mandatare nach. Parlamentspräsident Antonio Tajani fordert eine Einbindung von Europol in die Ermittlungen. Und auch aus Italien kommt wegen mutmaßlicher Mafiaverbindungen zum Glücksspiel in Malta der dringende Appell, Vorkehrungen zu treffen. Die Vorsitzende des Anti-Mafia-Komitees, Rosy Bindi, fordert die Schließung von Schlupflöchern bei Geldwäsche. (Andreas Schnauder, 25.10.2017)