Unter THC-Einfluss steigt die Unfallgefahr im Straßenverkehr um das Doppelte.

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Immer mehr Staaten legalisieren Cannabis. Gleichzeitig werden Cannabis und der Wirkstoff THC auch immer öfter in der Medizin verwendet. Viele Fragen rund um die Verkehrssicherheit sind dabei noch ungeklärt.

"Man kann in etwa sagen, dass die Unfallgefahr unter dem Einfluss von THC auf das Doppelte steigt. Unter Alkoholeinfluss kommt es zum achtfachen Risiko. Bei der Kombination von THC und Alkohol gar zum 16-fachen Unfallrisiko", sagt Kim Wolff vom Londoner King's College. Die Expertin hat 2012/2013 in Großbritannien ein offizielles Expertengremium geleitet, das die gesetzlichen Regelungen für Cannabis bzw. der Hanf-Inhaltsstoffe im Straßenverkehr sachlich vorbereitete.

Es sind zwei Fakten, welche solche Regelungen notwendig machen: Der Trend zur Legalisierung von Cannabis und die zunehmende Verwendung in der Medizin. Eine Problematik ist die Frage, ob es – ähnlich wie beim Alkohol – Blutgrenzwerte geben kann, ab denen die Inbetriebnahme eines Fahrzeuges verboten ist. "Wir haben dafür in Großbritannien einen Wert von fünf Mikrogramm pro Liter Blut festgelegt. Ich denke, das ist ganz vernünftig. Wenn jemand zum Beispiel ein Medikament mit zwei Milligramm synthetischem Cannabis-Wirkstoff eingenommen hat, kommt er danach auf einen Höchstspiegel von zwei Mikrogramm pro Liter Vollblut", sagte Wolff. Mittlerweile wurden in Großbritannien solche Grenzwerte für 17 Suchtmittel festgelegt.

Sicherheit garantieren

"Wer in seiner Fahrtauglichkeit beeinträchtigt ist, wird aus dem Verkehr gezogen", sagt hingegen Glenn Davis, viele Jahre lang Drogenpolizist im US-Bundesstaat Colorado und jetzt Chef des Colorado Highway Safety Office. "Die Sicherheit im Straßenverkehr ist das, was wir zu garantieren haben."

Davis arbeitete als Drogenpolizist noch in Zeiten, in denen "Null-Toleranz" für jeden Suchtgiftkonsumenten in Colorado angeordnet war. Mittlerweile ist der Gebrauch von Cannabis legalisiert. "Bei uns kam praktisch jeder ins Gefängnis." In den USA schwenkte bereits die Mehrzahl der Bundesstaaten zumindest auf das Zulassen von Cannabis- bzw. von Produkten für die Medizin um. Mehrere Bundesstaaten legalisierten Cannabis insgesamt. Es gibt von Bundesstaat zu Bundesstaat unterschiedliche gesetzliche Bestimmungen.

"Manche Bundesstaaten haben im Straßenverkehr weiterhin Null-Toleranz für Cannabis. Andere stellen darauf ab, ob jemand in seiner Fahrtüchtigkeit beeinträchtigt ist. Bei uns waren Null-Toleranz bis hin zu zehn Mikrogramm THC pro Liter Blut im Gespräch. Die Entscheidung in Colorado fiel einfach pragmatisch mit fünf Mikrogramm. Aber wer nicht fahrtüchtig ist, wird jedenfalls aus dem Verkehr gezogen", sagte Davis. Man müsse vor allem Aufklärungsarbeit zur Prävention des Konsums der Hanfprodukte vor dem Autofahren betreiben.

Niederlande: 30 Jahre Erfahrung

In den Niederlanden ist wiederum ein Grenzwert von drei Mikrogramm THC pro Liter Blut erlaubt. "Wir hatten 2015 in den Niederlanden 621 tödliche Verkehrsunfälle. 17 bis 27 Prozent davon waren auf Alkohol zurückzuführen, zwei bis drei Prozent auf Cannabis", sagt der Amsterdamer Toxikologe Jan Ramaekers. Man habe wegen der Coffeeshops in den Niederlanden schon 30 Jahre Erfahrung. Die Strafe für ein erstes Vergehen gegen die Cannabis-Regeln im Straßenverkehr in den Niederlanden beträgt 1.000 Euro und bedeutet den Verlust des Führerscheins für neun Monate. Hinzu kommt eine per Laboruntersuchungen zu belegende drogenfreie Zeit hintennach.

Offen ist bei einem Unfall auch die Frage, ob man von den Blutwerten im Spital auf die zum Unfallzeitpunkt wirklich vorliegende Belastung durch Cannabis schließen kann. Der kanadische Experte Doug Beirness – Kanada wird Cannabis im kommenden Jahr legalisieren – betont einen wichtigen Punkt: "Man muss sich darüber im Klaren sein, ob man primär die Verkehrssicherheit garantieren oder über die Maßnahmen im Straßenverkehr die Drogengesetze durchsetzen will." Das seien zwei unterschiedliche Punkte. (APA, 25.10.2017)