Das Mikrobiom des Darms hat Einfluss auf chronisch entzündliche Darmerkrankungen.

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Bei gesunde Menschen besteht das Darmmikrobiom aus mehr als 1000 Bakterienarten. Sie helfen bei der Verdauung und unterstützen das Immunsystem. Anders bei Patienten mit chronisch entzündlichen Darmerkrankungen wie Morbus Crohn oder Colitis ulcerosa: Studien belegen, dass dabei die Artenvielfalt der Darmmikrobiota reduziert ist.

Die Folgen sind eine Überreaktion des Immunsystems gegen die Bakterien im Darm und eine entzündliche Darmerkrankung. Forscher des Helmholtz-Zentrums für Infektionsforschung (HZI) haben nun in Mäusen gezeigt, dass über eine gezielte Blockade von Molekülen, den Caspasen, Entzündungsreaktionen im Darm abgeschwächt werden können.

Patienten, die an chronisch entzündlichen Darmerkrankung leiden, haben eine eingeschränkte Lebensqualität: Ihr Alltag ist geprägt von immer wiederkehrenden Durchfällen und starken Bauchschmerzen. Bislang gibt es keine heilende Therapie, sondern nur eine symptombasierte Behandlung. Die Betroffenen erhalten als Medikamente meist Immunsuppressiva, die sie oft noch empfindlicher für Infektionen machen.

Westlicher Lebensstil begünstigt Darmerkrankungen

"Chronische Darmentzündungen sind sehr komplexe Erkrankungen", betont Till Strowig vom HZI. Wie es zu einer so extremen Störung kommt, ist bisher noch nicht vollständig geklärt. "Die Entstehung einer chronischen Darmentzündung ist ein komplexes Wechselspiel von genetischer Anfälligkeit und Umweltfaktoren", sagt Strowig. "Neben westlichen Ländern werden sie vor allem in Ländern sichtbar, deren Lebensverhältnisse sich gerade in den letzten 30 Jahren sehr verändert und an westliche Standards angepasst haben, wie Asien und Südamerika. Das hebt die große Bedeutung der Umwelt und Ernährung für die Darmerkrankungen hervor."

Diese Umweltfaktoren beeinflussen insbesondere das Mikrobiom, das durch zahlreiche Wechselwirkungen mit unserem Immunsystem verbunden ist. So können Darmerkrankungen einerseits durch pathogene Darmkeime wie Escherichia coli oder Clostridium difficile hervorgerufen werden, die eine Immunreaktion des Körpers auslösen, anderseits aber auch von ganz harmlosen natürlichen Darmbewohnern.

Treiber von Entzündungsreaktionen

Trotz dieses Wissens sind bis heute viele Fragen zur Rolle des Mikrobioms in der Entstehung von chronischen Darmerkrankungen ungeklärt. Für ihre Studie haben die HZI-Forscher ein spezielles Mausmodell verwendet. Damit konnten sie zeigen, dass ein Wirtsfaktor, die Caspase-1, ein Treiber der Entzündungsreaktionen im Darm ist und seine Aktivität vom Mikrobiom gesteuert wird. "Im Mausmodell konnten wir nachweisen, dass das Schlüsselenzym Caspase-1 die Sekretion wichtiger regulatorischer Eiweiße und damit die Immunantwort im Körper steuert", sagt Till Strowig.

Eine wichtige Funktion spiele dabei das Mikrobiom. Nach Schädigung der Darmbarriere stimulieren seine Mitglieder das Immunsystem. "Gelingt es, die Caspase auszuschalten, so treten weniger starke Immunantworten auf", erläutert Strowig. Um diesen neuen Zusammenhang zu erkennen, mussten die HZI-Forscher einen sehr wichtigen Zwischenschritt gehen: Sie normalisierten zuvor die mikrobielle Gemeinschaft im Darm der Mäuse durch das gemeinsame Halten in einem Käfig, um letztendlich den Wirtsfaktor studieren und eine korrekte Vorhersage über seinen Einfluss auf die Entstehung der Krankheit treffen zu können.

Mikrobielle Gemeinschaften identifizieren

In einer Reihe weiterer Experimente versuchten die Wissenschafter herauszufinden, inwiefern verschiedene Kollektive von Mikroorganismen die Entstehung von chronischen Darmentzündungen fördern und wie diese besonderen Darmmikrobiome als Treiber der Entzündungsreaktion gezielt gehemmt werden können. "Die schweren Entzündungsreaktionen im Darm werden über bestimmte mikrobielle Gemeinschaften ausgelöst. Um eine Therapieempfehlung zu geben, ist es wichtig zu verstehen, ob die vorhandene Mikrobengemeinschaft das angeborene oder das erlernte Immunsystem des Körpers zu einer Antwort und einer Entzündung stimuliert", sagt Till Strowig.

Diese Zusammenhänge konnten die Forscher an immundefizienten Mäusen nachweisen, in denen jeweils wichtige Molekülschalter des Immunsystems ausgeschaltet waren. Dies ist auch deshalb relevant für die Behandlung der Krankheit an Menschen, denn moderne Therapien setzen heute auf sogenannte "Biologicals", die einzelne Moleküle blockieren und damit das Immunsystem gezielt beeinflussen.

Die Forscher wollen nun herausfinden, welche einzelnen Bakterienarten für die verschiedenen Formen der chronisch entzündlichen Darmerkrankungen verantwortlich sind. (red, 28.10.2017)