Eric Kandel vor dem Greene Science Center, so wie man ihn seit Jahren kennt: lachend und mit Fliege. Der Wissenschafter wurde durch Forschungen zum Gedächtnis berühmt.

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Nobelpreisträger Richard Axel analysierte den Geruchssinn.

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Thomas Jessell fragt nach der Definition von Schönheit.

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Dieser Tage ziehen Forscher der Columbia University in ein neues Forschungszentrum. Bisher waren sie über weite Teile von Manhattans Upper West Side verstreut, ab nun sollen sie im Zuckerman-Institut, einem Kernstück des neuen Manhattanville-Campus der Uni, auf Tuchfühlung arbeiten und sich direkt austauschen können; aus diesem Grund haben in dem von Renzo Piano geplanten neunstöckigen Gebäude, dem Greene Science Center, Lounges und Besprechungszimmer einen besonders hohen Stellenwert.

60 Principal Investigators und mehr als 800 Forscher werden schließlich hier tätig sein, 100 Studenten zusätzliche Laborplätze bekommen. Es sind hauptsächlich Neurowissenschafter, aber auch Ethologen, Elektroingenieure, Psychiater und Psychologen, Statistiker, IT-Spezialisten und Modellbauer. Ihr Forschungsgebiet ist das menschliche Gehirn, und ihre Aufgabe ist es, in den Worten des Biochemikers und Molekularbiologen Thomas Jessell, "das beste Institut für Neurowissenschaften der USA und wahrscheinlich der Welt zu schaffen".

Zu dieser Hoffnung berechtigt Jessell, einen der drei Co-Direktoren des Instituts, die erwartete "Kollision von Ideen" der Wissenschafter, die hier zusammenkommen. Er selbst arbeitet an den molekularen Mechanismen, die einem Menschen Bewegung und bewusstes Greifen und Manipulieren ermöglichen, und er geht davon aus, dass Durchbrüche in Bezug auf das Verständnis dieser Prozesse dann stattfinden, wenn er mit Ingenieuren kooperieren und die mathematischen Modelle formulieren kann.

Es geht um höchst komplexe Modelle, für die sich das Institut rüstet. Im Keller werden 18 Zwei-Photon-Mikroskope installiert, mit deren Hilfe man neuronale Kommunikation in Echtzeit beobachten kann. "Computational Neuroscience" ist für den aus Wien stammenden US-amerikanischen Wissenschafter Eric Kandel, ebenfalls Co-Direktor am Institut, "ein extrem wichtiges Forschungsgebiet". Und er preist auch die Pläne an: "Wir arbeiten mit Kollegen, die weltweit führend sind bei der Modellierung neuronaler Netzwerke."

Von Heilung weit entfernt

Diese Zusammenarbeit hat auch Kandels Forschung über Gedächtnis vorangetrieben, für die er 2000 den Medizin-Nobelpreis erhalten hat. Ursprünglich an Meeresschnecken, später an Mäusen untersuchte er, wie und warum Gedächtnisinhalte verlorengehen. Das könnte in Kürze zu ersten Therapieversuchen mit Alzheimer-Patienten führen, "wobei wir zunächst davon ausgehen, dass der Krankheitsverlauf verlangsamt werden kann".

Von Prävention oder gar Heilung sei man noch sehr weit entfernt. Bei "normalem" fortschreitendem Gedächtnisverlust ist Kandel optimistischer. Sein Team habe, sagt er, bei Mäusen ein Protein gefunden, das diesen Verlust eindämmt. Das in Knochen gebildete Hormon Osteocalcin erhöht den Spiegel dieses Proteins. Die nächste Stufe wird sein, Menschen Osteocalcin zu verabreichen.

In weniger als einem Jahrzehnt, hofft der prominente Neurowissenschafter, wird man Gedächtnisverlust behandeln können.

Kandel hat bei der Finanzierung der sehr aufwendigen Forschung am Institut eine gewisse Rolle gespielt. Vor längerer Zeit hielt er im privaten Rahmen einen Vortrag über seine Arbeit. "Einer der Gäste, der New Yorker Immobilientycoon Mort Zuckerman, fragte mich, ob ich Unterstützung brauche. Na ja, sagte ich, jeder braucht Unterstützung. Na gut, meinte er, reden wir einmal darüber." Vom Gastgeber erfuhr Kandel später, dass er hier nicht 50.000 oder 100.000 Dollar erwarten solle. "Der kann dir um einiges mehr geben, meinte er. Tatsächlich waren es dann 200 Millionen." Und darum heißt es offiziell auch das Mortimer B. Zuckerman Mind Brain Behavior Institute.

Geist, Gehirn, Verhalten: Eines von Kandels weiteren Forschungsinteressen ist durch diese Begriffe abgesteckt. "Es handelt sich um ein Wiener Problem", sagt er. "Der Kunsthistoriker Alois Riegl (1858-1905) hat sich mit dem 'Anteil des Betrachters' bei der Interpretation von Kunst befasst." Eine Psychologin, eine Kunstgeschichtsprofessorin und Kandel untersuchen nun die unterschiedlichen neuronalen Prozesse, die ablaufen, wenn Menschen mit figurativen oder abstrakten Bildern konfrontiert werden.

"Wie definieren wir Schönheit?", fragt Thomas Jessell im Uni-Magazin Columbia. "Irgendwie beruht das auf Verbindungen im Gehirn. (...) Solange wir nicht die Verbindungen zwischen den 86 Milliarden Neuronen kennen, die es im menschlichen Gehirn gibt, können wir nicht hoffen, auch nur einen Aspekt des menschlichen Verhaltens zu verstehen."

Forschung zum Geruchssinn

Man nehme etwa die Arbeiten von Richard Axel, dem dritten Co-Direktor des Instituts, über den Geruchssinn. Lange Zeit hatte man nur vage Vorstellungen davon, was uns angenehm oder unangenehm erscheint und entsprechende Reaktionen hervorruft. Axel erforschte, wie ein Geruch mit Bedeutung aufgeladen wird. Er identifizierte etwa 1000 Gene, die mit Rezeptorzellen in der Nase und deren Verbindungen zu mehreren olfaktorischen Zentren im Hirn assoziiert sind. Für seine genetische Kartierung des Geruchssystems erhielt er 2004 den Medizin-Nobelpreis.

Die Begegnung der beiden Nobelpreisträger, so Kandel im Columbia-Magazin, sei ein Beispiel dafür, "wie sehr Wissenschaft eine soziale Interaktion ist. Wir lernten uns in den späten 1970er-Jahren kennen. Er wusste nichts über das Hirn, ich nichts über Molekularbiologie. Also begannen wir unsere Zusammenarbeit und lernten voneinander." Darauf angesprochen, ob nicht auch ganz anderen Überlegungen als die der Neurowissenschaft zum Verständnis des menschlichen Daseins beitragen können, sagt Kandel emphatisch: "Absolut! Wir arbeiten in einigen wichtigen Gebieten. Aber es gibt so viele Probleme, die gelöst werden müssen, dass wir sie unmöglich alle behandeln können. Es wäre dumm, das zu glauben." An der Ausrichtung des Zuckerman-Instituts hält er allerdings fest – am Ende dieses Jahrhunderts, schätzt er, wird man das menschliche Gehirn bis in die molekularen Details erforscht haben. (Michael Freund aus New York, 30.10.2017)