Ein Leuchtturm an der französischen Atlantikküste. Die Indizien, dass das Wetter verrückt spielt, häufen sich. Dennoch werden Entscheidungen zur Eindämmung der Erderwärmung hinausgeschoben, sagen ...

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... "Biopapst" Werner Lampert ...

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... und Politologe Claus Leggewie.

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Wien – Knapp zwei Jahre ist es her, dass bei der Klimakonferenz von Paris ein Durchbruch geschafft wurde; die Weltgemeinschaft hat sich verpflichtet, Maßnahmen zur Begrenzung des Temperaturanstiegs unter zwei Grad Celsius zu setzen, besser noch bei 1,5 Grad im Vergleich zur vorindustriellen Zeit. Wie die meisten Nationen haben Österreich und Deutschland das Abkommen im Vorjahr ratifiziert. Bei der Umsetzung der Beschlüsse sind aber sowohl Berlin als auch Wien säumig.

Auffallend war und ist, dass Klimaschutz weder im deutschen Bundestags- noch im österreichischen Nationalratswahlkampf eine Rolle gespielt hat. Auch bei den laufenden Verhandlungen zur Bildung einer Koalition zwischen CDU/CSU, FDP und Grünen in Deutschland sowie Schwarz-Blau in Österreich blieb das Thema ausgespart – zumindest bis jetzt. Beobachter sind skeptisch, dass kurzfristig noch große Ansagen kommen.

Wer Verantwortung will

"Es gibt eine gesellschaftliche Übereinkunft, dass man über Klima und über das, was auf uns zukommt, nicht spricht," sagt Werner Lampert, einer der Pioniere in Sachen Nachhaltigkeit und einer, der Bioprodukte erstmals Diskontern schmackhaft gemacht hat. "In der Sekunde, wo du über das Klima redest, redest du über Verantwortung – persönliche, politische, gesellschaftspolitische Verantwortung. Wer will das?"

Das sowie der Mangel an Führungsstärke sind auch für Claus Leggewie, Politologe aus Deutschland, der Hauptgrund, warum es so ist, wie es ist. Ein dritter Grund, warum über Klimaschutz und alles, was damit zusammenhängt, nicht laut geredet wird: "Weil sich die Regierungen ungern die mehr als dürftigen Bilanzen vorhalten lassen", sagt Leggewie im Gespräch mit dem STANDARD.

"Weder Deutschland noch Österreich halten die in Paris eingegangenen Verpflichtungen zur Senkung der CO2-Emissionen ein. Ich halte das für einen Riesenfehler, weil ein vernünftiger Klimaschutz enorme wirtschaftliche und unternehmerische Potenziale hat."

Chancen aufzeigen

Statt Menschen durch ständiges Trommeln der Gefahren des Klimawandels Angst zu machen, gelte es Chancen aufzuzeigen, die sich durch einen Rückzug aus fossilen und Hinwendung zu regenerativen, sauberen Energien ergeben, sind Lambert und Leggewie einer Meinung. Milliarden und Abermilliarden von Dollar, der Leitwährung der internationalen Öl- und Gasindustrie, würden Jahr für Jahr außer Landes fließen, zumeist in autokratisch geführte Staaten im Nahen Osten, auch nach Russland. Erneuerbare Energien böten die Gelegenheit, die Abhängigkeit Europas von Öl- und Gaslieferungen zu durchbrechen und Wertschöpfung sowie Jobs in der EU zu schaffen.

Bei Chancen und dem möglichen Verpassen derselben fällt Leggewie die deutsche Autoindustrie ein. Von deren Wohl und Wehe sei aufgrund der engen Verflechtungen auch Österreichs Zulieferindustrie massiv abhängig. Leggewies Befund fällt hart aus: "Die deutsche Autoindustrie ist, so wie sie ist, zum Sterben verurteilt." Tesla habe als Quereinsteiger mit seinem Konzept eines emissionsfreien Elektroautos alle aufgeweckt. Nun herrsche allenthalben Panik, auch weil China die Elektromobilität forciert.

In den Führungsetagen der deutschen Autobauer, die nur halbherzig auf den Elektroantrieb setzten und krampfhaft an ihrer "Dieselkompetenz" festhielten, habe sich so gut wie nichts geändert. Dort rieche es förmlich nach Arroganz. "Statt zu sagen, wir haben verstanden, wir stellen um, hält man verzweifelt an Altem fest. Frau Merkel (Bundeskanzlerin Angela Merkel, Anm.) hat das aus meiner Sicht persönlich zu verantworten, weil sie die Verkehrswende viel zu wenig betreibt", sagt Leggewie.

Ende der Kohle

Zumindest bei Kohle sei ein Ausstieg absehbar. "Seit die SPD aus der Regierung geflogen ist, gibt es keine Unterstützung mehr dafür. Jamaika (gemeint ist die voraussichtliche schwarz-gelb-grüne Koalition, die sich in Deutschland abzeichnet, Anm.) kann die Kohle endgültig beerdigen", sagt Leggewie. 2019 schließe die letzte Steinkohlenzeche. Bei Braunkohle werde es vermutlich einen sanften Übergang geben. Leggewie: "Den Beschäftigten in der Lausitz und in Nordrhein-Westfalen wird man eine Kompensation anbieten, das finde ich in Ordnung."

Nicht in Ordnung findet Lampert, dass man von Klimawandel spricht. "Das ist ein Euphemismus. Alles ist im Wandel begriffen – Arbeitswelt, Schule, Familie. Das suggeriert, dass vom Klimawandel nichts Aufregendes ausgeht, weil Wandel etwas Alltägliches ist. Tatsächlich haben wir es mit einer Erderhitzung zu tun. Das sollten wir ernst nehmen und angemessen darauf reagieren." (Günther Strobl, 27.10.2017)