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Viele Kosovaren sind auf ihren neu unabhängigen Staat stolz – doch dieser sitzt zwischen zwei anderen Ländern, die die Führungsrolle in der Region beanspruchen.

Foto: AP / Visar Kryeziu

Wenn der kosovarische Präsident Hashim Thaçi nun vorschlägt, seine Landsleute sollten albanische Staatsbürgerschaften annehmen, dann geht es nicht nur um Reisefreiheit, sondern auch um Popularität. Im Kosovo waren gerade Lokalwahlen, und die Oppositionspartei LDK schnitt gut ab.

Mit dem Spiel mit Staatsbürgerschaften auf dem Balkan geht aber auch ein mentaler Prozess der Verschiebung von Grenzen einher. Mittlerweile hat sogar der albanische Premier Edi Rama diese Form von "Nachbarschaftspolitik" entdeckt. Er mischte sich nicht nur in die Politik von mazedonischen Albanerparteien ein, sondern machte nun vier kosovarische Staatsbürger zu Vizeministern. Und er kündigte an, Grenzregime zwischen Albanien und dem Kosovo "zu lockern".

Das alles passiert vor dem Hintergrund des Dialogs zwischen dem Kosovo und Serbien. Das anvisierte Rahmenabkommen zwischen den beiden Staaten soll zu einer Art indirekten Anerkennung des Kosovo durch Serbien führen. Allerdings könnte die Grenze zwischen Serbien und dem Nordkosovo, der mehrheitlich von Serben bewohnt wird, analog zur Grenze zwischen dem Südkosovo und Albanien dabei sehr durchlässig gestaltet werden. Dies würde aber ethnische Zugehörigkeiten und keineswegs die territoriale Integrität der Staaten betonen.

Und es dient vor allem zwei Politikern: dem serbischen Präsidenten Aleksandar Vučić und dem albanischen Premier Rama, die sich seit einiger Zeit als Führer aller Serben und aller Albaner darstellen, mit dem Ziel einer "historischen Versöhnung", wie Vučić sagt. Von sämtlichen EU-Vertretern wird gelobt, dass die beiden einander besucht haben. Der Westen spielt also bei dem Theater mit. Das ist insbesondere merkwürdig, weil das Verhältnis zwischen Serbien und Albanien gar nie ein Problem gewesen ist.

Gerede von Versöhnung

Selbst der kosovarische Oppositionsführer Albin Kurti meinte kürzlich zum STANDARD, er verstehe das Gerede von "der historischen Versöhnung" mit den Serben nicht. "Die Serben hier im Kosovo haben mir nie etwas getan. Es war das Regime in Belgrad, das uns unterdrückt hat." Was Kurti damit meint, ist, dass im Zentrum des Kosovo-Konflikts ein autoritäres Regime stand, das gegen die eigene Bevölkerung vorging.

Es gibt Kosovaren, denen auch die Einmischung Albaniens auf die Nerven geht. Der Analyst Lumir Abdixhiku meinte, dass weder Rama noch Albanien das Recht hätten, über die Versöhnung zwischen Albanern und Serben zu sprechen. Der Kosovo sei ein eigener Staat – und wenn es etwas zu versöhnen oder zu vergeben gäbe, dann mache man das schon selbst. Tatsächlich hat Albanien mit dem Dialog zwischen Serbien und dem Kosovo nichts zu tun.

Vučić unterstützt wiederum eine nationalistische Initiative, um "das Überleben der serbischen kulturellen Identität" im früheren Jugoslawien "abzusichern". Abgesehen davon dürfen nun Kriegsverbrecher wie die Ex-Generäle Vladimir Lazarević und Nebojša Pavković, die jahrelang im Gefängnis saßen, an der Militärakademie in Belgrad dozieren. Verteidigungsminister Aleksandar Vulin meinte dazu: "So wird das Unrecht wiedergutgemacht, das ihnen in den letzten Jahren angetan wurde." Ein Signal der Versöhnung ist dieser Satz sicher nicht. (Adelheid Wölfl, 27.10.2017)