Bild nicht mehr verfügbar.

Der Eigentümer des hochverschuldeten kroatischen Agrokor-Konzerns, Ivica Todoric, wohnte bis Mitte Oktober gediegen in einem Schloss oberhalb Zagrebs.

Foto: AP / Darko Bandic

Die Polizei kam sehr zeitig in der Früh, um sechs Uhr – doch Ivica Todoric und seine Söhne waren in ihrem eleganten Schloss auf den Hügeln über Zagreb nicht aufzufinden. 300 Polizisten durchsuchten Mitte Oktober insgesamt 60 Häuser und Wohnungen ehemaliger Manager des Lebensmittelriesen Agrokor.

Sechs Mitglieder des Aufsichtsrats und der Geschäftsführung wurden bei der Razzia festgenommen. Auf Todoric warten die Behörden in Kroatien seither vergebens. Der Unternehmensgründer, der oft bei einem seiner Söhne in Wien ist, wird entweder in Belgrad oder in Moskau vermutet.

Massive Regelverstöße

Gegen ihn und seine Söhne liegen Strafanzeigen vor. Kommen sie nicht zur Anhörung, dürften Interpol-Haftbefehle erlassen werden. Den Managern wird Untreue und Bilanzfälschung, Irreführung von Geschäftspartnern, Investoren oder Banken vorgeworfen. Der vom Staat ernannte neue Agrokor-Manager Ante Ramljak war auf massive Regelverstöße in der Finanzgebarung gestoßen.

Demnach waren die Schulden um 1,9 Milliarden Euro höher als das Kapital des Firmenimperiums. Bestimmte Schulden wurden in den Finanzberichten gar nicht angeführt. Und 133 Millionen Euro, die für die Familie Todoric ausgegeben wurden, könnten auf illegale Aktivitäten – etwa Schmiergelder – hinweisen.

Die Einnahmen von Agrokor belaufen sich auf 16 Prozent des kroatischen Bruttoinlandsprodukts – deshalb auch wurde im April ein Gesetz (Lex Agrokor) erlassen, welches es ermöglichte, dass das Unternehmen nun unter Staats-Management steht.

Russischer Einfluss

Doch die Agrokor-Krise hat auch eine entscheidende geopolitische Dimension. Weil Todoric angesichts der Verluste von Agrokor keine Kredite mehr von heimischen Banken bekam, kamen die russischen Staatsbanken Sberbank und VTB 2014 ins Spiel. "Die wollten aber politischen Einfluss gewinnen. Es ging darum, den kroatischen Staat zu destabilisieren", meint der kroatische Analyst Davor Gjenero.

Der kroatische Premier Andrej Plenkovic, der seit einem Jahr im Amt ist und der als proamerikanisch und als Transatlantiker gilt, habe versucht, mit der Lex Agrokor den Einfluss von Russland in Kroatien wieder zurückzudrängen. Todoric selbst beschuldigte Plenkovic, dass die Regierung verfassungswidrig die Kontrolle über das Unternehmen übernommen habe. Es handle sich um den "größten Raub von privatem Besitz im modernen Europa".

Gjenero geht davon aus, dass im Zuge der Sanierung des Unternehmens der Einzelhandel von Agrokor verkauft werden wird. Die Lebensmittelerzeuger-Firmen dürften aber überleben. Er schätzt, dass 60 Prozent der Darlehensschulden für die Kreditgeber verloren sein werden. Eine parlamentarische Untersuchungskommission soll nun ab 30. Oktober herausfinden, was genau zur Verschuldung von Agrokor geführt hat und weshalb die staatlichen Kontrollorgane versagt haben. (Adelheid Wölfl aus Zagreb, 27.10.2017)