Gerhard Schröder und Tayyip Erdoğan verstanden sich auf eine gütliche Lösung für die in der Türkei angeklagten Menschenrechtler.

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Ankara/Berlin – Er hat bei den deutschen Grünen angefangen, saß für die SPD im Europaparlament und landete schließlich bei der konservativ-islamischen Regierungspartei AKP des türkischen Staatschefs Tayyip Erdoğan: Ozan Ceyhun, ein deutsch-türkischer Politiker, war einer der Ersten, die Gerhard Schröder ins Spiel brachten. Der deutsche Exkanzler könnte in den Beziehungen zur Türkei vermitteln, sagte Ceyhun im vergangenen März dem "Spiegel". Schröder genieße in Ankara Glaubwürdigkeit.

Erdoğan warf Berlin in jenen Wochen "Nazi-Praktiken" vor, und Deniz Yücel begann seine Untersuchungshaft. Sechs Monate und einige Verhaftungen später kommt Gerhard Schröder tatsächlich ins Spiel. Der 73-jährige Sozialdemokrat, mittlerweile Aufsichtsratsvorsitzender beim russischen Energiekonzern Rosneft, fliegt eine Woche nach den Bundestagswahlen zu Erdoğan in die Türkei. Schröder soll die Freilassung deutscher Häftlinge vermitteln. Peter Steudtner scheint der einfachste Fall.

Der 46-jährige Menschenrechtler und Dokumentarfilmer kam in der Nacht zum Donnerstag tatsächlich frei. Ein Istanbuler Strafgericht ordnete am ersten Verhandlungstag das Ende der Untersuchungshaft für alle acht inhaftierten Menschenrechtler an. Unter ihnen ist auch İdil Eser, die Direktorin der Türkei-Sektion von Amnesty International (AI), und der schwedisch-iranische IT-Experte Ali Gharavi. Sie alle waren mehr als drei Monate im Gefängnis.

Fragen zum Gegenangebot

"Ich bin total glücklich über den Ausgang", sagt Steudtner, zu Tränen gerührt. Er kam auf Kaution aus dem Gefängnis in Silivri, eine Fahrtstunde entfernt von Istanbul, und traf am Donnerstagabend in Berlin ein. Vier der türkischen Menschenrechtler haben Ausreiseverbot und müssen sich bei der Polizei melden.

Das Strafverfahren selbst geht weiter. Der nächste Verhandlungstermin ist der 22. November. Vorgeworfen wird den Menschenrechtlern vor allem Mitgliedschaft in Terrororganisationen. Sie wurden Anfang Juli während eines Seminars in einem Hotel auf Büyükada, der größten der Prinzeninseln vor Istanbul, verhaftet. Steudtner und Ghavari waren dort als Trainer engagiert.

Was Schröder dem türkischen Staatschef für Steudtners Freilassung anbot, ist nicht klar. Über die Vermittlungsmission berichtete am Donnerstagmorgen das Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND). Der amtierende deutsche Außenminister Sigmar Gabriel bestätigte dem "Spiegel" den Bericht und dankte Schröder für den Einsatz. Die Türkei habe "alle Zusagen eingehalten", erklärte Gabriel ohne weitere Details. Die deutsche Kanzlerin Angela Merkel war demnach auch über Schröders Mission informiert und billigte sie.

Vor einem Strafgericht in Izmir begann derweil am Donnerstag ein anderer Prozess gegen Taner Kılıç, den Vorstand von AI in der Türkei. (Markus Bernath, 27.10.2017)