"Sophia" ist ein humanoider Roboter, der selbständig dazu lernt und empathisch handeln soll.

Foto: Hanson Robotics

Es war wohl nur eine Frage der Zeit: Erstmals wurde einem Roboter die Staatsbürgerschaft verliehen. Allerdings handelt es sich nicht um einen US-amerikanischen Pass, wie man angesichts der Vorreiter-Rolle des Silicon Valley annehmen könnte, sondern um einen saudischen Bürgerschaftsnachweis.

Kronprinz Mohammed bin Salman hegt große Pläne für das als ultrakonservativ islamisch bekannte Königreich. Neben der langfristigen Lockerung gesellschaftlicher Regeln plant er auch die Errichtung einer hochtechnisierten Megastadt namens "Neom", in der Roboter und künstliche Intelligenz eine zentrale Rolle einnehmen sollen. Der Schritt, die intelligente, humanoide Maschine "Sophia" – hergestellt vom Hongkonger Unternehmen Hanson Robotics – einzubürgern, hat allerdings auch für negative Reaktionen gesorgt.

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Modernes Handelszentrum

Neom ist als internationales Handelszentrum konzipiert, das in Prunk und Größe selbst die Metropole Dubai in den Vereinigten Arabischen Emiraten übertrumpfen soll. Die Steuerung und Organisation der Stadt soll hauptsächlich durch künstliche Intelligenz erfolgen. Alles wird vernetzt, es soll mehr Roboter als menschliche Einwohner geben. Man will verwirklichen, was vor kurzem noch als Szenario eines Sci-Fi-Romans gegolten hat.

Gesellschaftlich soll Neom vom restlichen Land entkoppelt werden und moderner sein. Frauen sollen sich ohne männlicher Begleitung frei in der Öffentlichkeit bewegen und auch nicht verpflichtend die vom Hals abwärts den ganzen Körper bedeckende Abaya tragen müssen. Was in westlichen Ländern als selbstverständlich gilt, stellt hier einen großen Schritt dar, zumal Saudi-Arabien im Juni 2018 als letztes Land der Welt Frauen das Autofahren erlauben wird.

Kritik am Status Quo

Was in Neom sofort möglich ist, soll langfristig für das ganze Land gelten, so der Plan von Mohammed bin Salman, der sich als Reformer präsentiert. Der Status Quo allerdings sorgt für Kritik, dokumentiert die BBC.

"Sophia ist für die Abschaffung des Wächtertums" lautete, übersetzt, einer der arabischen Twitter-Hashtags, unter denen entsprechende Wortmeldungen kursierten. "Sophia hat keinen Wächter, trägt keine Abaja und verhüllt sich nicht – wie kann das sein?", hieß es etwa in einer Nachricht. Gepostet wurde auch eine Fotomontage von Sophia mit Kopftuch und Gesichtsschleier mit der Betitelung "Wie Sophia nach einer Weile aussehen wird."

Rechtelose Gastarbeiter

Doch auch ein anderes Thema wurde in die Diskussion eingebracht, nämlich die Rechte ausländischer Arbeiter. In Saudi Arabien sind zahlreiche Menschen aus Nachbarstaaten und anderen asiatischen Längern als Arbeiter beschäftigt, viele davon arbeiten in der Baubranche. Man kennt sie als "Kafala". Sie sind ihren Arbeitgebern aufgrund mangelnder gesetzlicher Regelungen weitgehend ausgeliefert, weswegen zahlreiche Fälle von Ausbeutung und gefährlichen Arbeitsbedingungen dokumentiert sind. Auch eine Chance auf Staatsbürgerschaft haben sie nicht.

Erschwerend kommt hinzu, dass in Saudi Arabien eine Ausreise-Visa-Regelung gilt, was dazu führt, dass diese Arbeiter nur mit Zustimmung ihrer Arbeitgeber, die ihnen üblicherweise für die Dauer ihres Aufenthalts die Reisedokumente abnehmen, in ihre Heimat zurückkehren können. Wer versucht, der Tyrannei seines Unternehmens zu entgehen und am blühenden Schwarzmarkt nach Arbeit sucht, ist faktisch im Land gefangen.

Kritik kommt hier etwa vom englisch-libanesischen Journalisten Kareem Chehayeb. Er schreibt: "Ein humanoider Roboter (…) bekommt die saudische Staatsbürgerschaft, während Millionen weiter staatenlos bleiben." (gpi, 27.10.2017)