Zwischendurch macht sie zwar auch einmal Pause, doch Ruhe hat von ihr selten: Emily Beecham als Daphne.

Foto: Viennale

"Regret the things you did, not the things you didn't." Eine Weisheit wie diese sollte man sich der eigenen Tochter gegenüber sparen. Vor allem dann, wenn sie sich wie Daphne für gute Ratschläge prinzipiell nicht empfänglich und an Reue schon gar kein Interesse zeigt. – "Did you hear that crap in a fortune cookie?"

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Andererseits weiß man aber auch nie, was der nächste Tag bringen wird. Vor allem nicht, wenn man wie Daphne von einem zum nächsten lebt. Sich treiben lässt und auf das wartet, was einen hinter der nächsten Straßenecke oder in der nächsten Bar erwartet. Dass zu den Eröffnungscredits von Peter Mackie Burns' Daphne der Soulklassiker Who Knows von Marion Black die Richtung vorgibt ("Who knows what tomorrow will bring"), passt also schon einmal ganz hervorragend zu seiner unberechenbaren Heldin.

Daphne ist 31 Jahre alt, lebt in London und arbeitet als Köchin in einem gutgehenden Restaurant. Ganz ernst nimmt sie ihren Job aber nicht, was wohl daran liegt, dass sie mit diesem nicht wirklich zufrieden ist – so wie mit sich und dem Rest der Welt. In ihrer Freizeit liest sie kulturkritische Schriften von Slavoj Zizek und düpiert Freundinnen und flüchtige Männerbekanntschaften gleichermaßen. Bis sie eines Abends Zeugin eines Überfalls auf einen kleinen Laden wird und das Gewaltverbrechen ihrem ziellosen Leben eine Richtung gibt.

Trotzkopf unter Einfluss

Daphne erzählt keine konventionelle Geschichte, sondern im Grunde von einem Zustand. Von einer Frau, die sich irgendwo zwischen John Cassavetes' A Woman Under the Influence und Erick Zoncas Julia wiederfindet und für die wie für die Protagonistin in Kenneth Lonergans Margaret eine Zeugenschaft (fast) alles ändert. Jedenfalls scheut Daphne nicht davor zurück, mit ihrer Umwelt auf Konfrontation zu gehen. Der Zynismus, den sie sich dafür zurechtgelegt hat, dient ihr bestenfalls als Schutz: Die Angst, verletzt zu werden, steht ihr nämlich in jedem Augenblick ins trotzige Gesicht geschrieben.

Dieser Mantel, mit dem Daphne sich wappnet, ist unbedingt einer der Sprache: Wie Kaskaden strömen die Sätze aus ihr hervor – ganz im Gegensatz zu der lautlosen Schlange, die sie zu Hause in einem Terrarium hält. Worte sind aber auch zugleich Daphnes stärkste Waffe, mit der sie sich durch das Dickicht Londons schlägt. So wie von ihrem Körper, einem rotschöpfigen Kreisel gleich, die Fliehkräfte in alle Richtungen wirken.

Daphne ist Emily Beecham, und Emily Beecham ist Daphne. Denn Peter Mackie Burns hat seinen ersten Langspielfilm nicht nur um diese Figur herum gebaut, sondern auch um die in dieser Rolle fulminante britisch-amerikanische Schauspielerin. (Michael Pekler, 28.10.2017)