"Yes We Can": Daje auf der Suche nach neuen Perspektiven.

Foto: Viennale

"Das ist kein Spiel" ist ein Satz, den Daje Shelton, auch "Boonie" genannt, ziemlich häufig zu hören bekommt. Gerade erst wurde die 17-jährige Troublemakerin wegen Aufsässigkeit von der Schule verwiesen. Dabei macht das stets etwas ungläubig in die Luft blickende Mädchen nicht einmal einen krass widerspenstigen Eindruck. Daje wirkt eher auf eine hartnäckige Weise realitätsfern – und das in einer gesellschaftlichen Umgebung, die ihr permanent zu verstehen gibt, wie unausweichlich die Realität ist. Wie bitterernst.

For Akheem ist das dokumentarische Porträt einer afroamerikanischen Jugendlichen in St. Louis, Missouri. Die Filmemacher Jeremy S. Levine und Landon Van Soest haben Daje Shelton über einen Zeitraum von eineinhalb Jahren mit der Kamera begleitet. Dabei ist ihnen ein bewegender Film geglückt, der die Konventionen der Sozialreportage mit einem lyrisch grundierten Realismus beantwortet.

Wasser bis zum Hals

For Akheem verbindet die gesellschaftliche Perspektive mit der persönlichen Innensicht seiner Protagonistin, die über Tagebucheinträge und impressionistische "mood pieces" erzählt wird. Auf diese Weise wird der Determinismus einer sogenannten Problembiografie, die in den Kamerafahrten entlang verrammelter Backsteinhäuser zum Ausdruck kommt, immer wieder durch Unschärfen und porträthafte Großaufnahmen aufgebrochen.

Für Daje ist die letzte Möglichkeit, ihren Schulabschluss noch zu schaffen, der Besuch einer Highschool mit dem sprechenden Namen Innovative Concept Academy. In der Geschichtsstunde wird das Thema Herkunft bearbeitet, und man bekommt augenblicklich einen Eindruck von der systemischen Perspektivlosigkeit schwarzer Jugendlicher vermittelt. Die Schüler sollen eine Illustration deuten. Sie zeigt ein mit Wasser gefülltes Holzfass, in dem Menschen darum kämpfen, nach oben zu gelangen, um nicht zu ertrinken. Nur einer steht neben dem Fass. Das Bild soll Mut machen: "Es gibt immer einen, der es schafft, der rauskommt."

Weissman Studio

Im Laufe des Films wird ein Schüler erschossen. Es ist nicht der erste – "zu viele, sie alle aufzuzählen", meint Daje, deren Freund Antonio mit schockierender Selbstverständlichkeit über seine geringe Lebenserwartung spricht. Vor diesem Hintergrund erscheint der Wunsch, die Schule abzuschließen und aus der Hood herauszukommen, weniger als Vision denn als notwendige Überlebensstrategie.

Im August 2014 stirbt unweit von St. Louis, in Ferguson, der 18-jährige Michael Brown durch die Schüsse eines Polizisten. Daje, die inzwischen ein Baby bekommen hat, verknüpft die Ereignisse unmittelbar mit Gedanken an ihren Sohn, Akheem. Ihre Ich-Erzählung, die in der Rückschau begonnen hat, um bald in den Modus einer Gegenwartsbeschreibung zu wechseln, richtet sich nun ganz in die Zukunft. Man spürt ein wenig Hoffnung – und Angst: "Ich möchte, dass du dein eigenes Leben führst. Und nie nach St. Louis zurückblickst." (Esther Buss, 29.10.2017)