Wien/Burgenland – Eigentlich ist das Ausgangsmaterial für die nun folgende Geschichte wenig atemberaubend: ein quer eingebauter Vierzylinder, der in einem Kompaktwagen hängt und über eine manuelle Sechs-Gang-Schaltung primär die Vorderräder antreibt, die Hinterradln quasi mitschleppt und nur dann zum Antrieb nutzt, wenn vorn nix mehr geht. Aber wenn man dann draufkommt, dass das Einzige, was noch härter ist als das Plastik der Mittelkonsole, das Fahrwerk ist, wird die Geschichte schon spannend.

Der Ford Focus RS mag jetzt schon rein optisch nicht den Geschmack eines jeden treffen. Aber wer einen günstigen Sportwagen sucht, der alltagstauglich ist und jederzeit auch beim Bergrennen starten kann, wird mit diesem 350 PS starken Allradler mehr als glücklich.
Foto: Guido Gluschitsch

Wer nur Franzosen pilotiert, braucht sich nicht genieren, wenn er nach den ersten Kilometern im Focus RS stehen bleibt und schaut, ob er nicht einen Patschen hat, permanent auf der Felge fährt. Sogar eingefleischte Ford-Fahrer staunen ob des straffen Fahrwerks. Im Normalmodus geht es ja noch, aber im Rennstrecken-Setup wäre es kein Wunder, wenn es einem bei einer Unebenheit das Lenkrad aus der Hand schlägt.

Das Cockpit
Foto: Guido Gluschitsch

Und so beginnt man sich diesem Fahrzeug, das mit seinem Spoiler und seiner Schürze von außen ein bisserl wie ein Angeberauto ausschaut, mit dem gehörigen Respekt zu nähern und sieht auf einmal auch den Innenraum mit ganz anderen Augen.

Fahren in Reinkultur

Dort braucht man nämlich kein zierliches Nähtchen in der Mitte des Armaturenträgers, welches das Auge erfreut – der Blick gehört in diesem Auto ausschließlich auf die Straße –, oder eine feine Haptik am Schließmechanismus der Spiegelhalterung in der Sonnenblende – die Pratzen gehören aufs Lenkradl, sonst hat man in diesem Auto gach einmal zu oft danebengegriffen und steht wieder mit großen Augen vorm Autohändler, der fragt: "Wie viele willst denn noch in den Graben schmeißen?"

Die Recaros hätten ein Faible für Vier-Punkt-Gurte.
Foto: Guido Gluschitsch

Und so würde dann auch gar kein Doppelkupplungsgetriebe mit Smoothtronik in diesen Focus passen. Der will selbst gerührt, hart gekuppelt, wild am Gaspedal getreten werden. Und mit ausreichend Erbarmungslosigkeit kriegt dann sogar jeder Aff, der bisher nur Schleifsteine rauchen ließ, den Focus RS schön quer.

Das protzige Heck des RS.
Foto: Guido Gluschitsch

Ja, das funktioniert echt. Driftmodus wählen, Erste rein, Lenkung einschlagen und das Gaspedal in die Bodenplatte treten. Das geht, weil der Häng-on-Allrad kein einfaches Haldex-System ist, sondern Ford die hinteren Halbachsen einzeln ansteuert und diese auch noch ein Alzerl flotter antreibt als die Vorderräder. So schiebt der RS immer leicht mit dem Heck, obwohl er im Grunde ein Frontkratzer wäre. Nur beim besinnungslosen Beschleunigen im Track-Modus, bei viel Grip, merkt man, dass er manchmal leicht an der Lenkung zieht.

Schöne Schuhe, blaue Stopper.
Foto: Guido Gluschitsch

So verzeiht man ihm auf der Stelle, dass er nur auf vier Häferln rennt – obwohl der Klang des Fünfzylinders des Vorgängers auch ganz gut geeignet war, einem die Haare am ganzen Körper aufschnellen zu lassen. 350 PS leistet er jetzt. Das reicht, um die kompromisslosen Recaros so dringend zu brauchen wie einen nicht profitorientierten Reifenhändler.

Die Insignien des Sport-Ford.
Foto: Guido Gluschitsch

Denn der Focus RS ist mit einem Preis ab 47.350 Euro kein Auto, mit dem sich die Schickimickis auf der Straße zeigen. Die greifen zu teureren Autos, die mit anderen Details beeindrucken, wie Alcantara dort und Kevlar da, um die der beherzte Focus-RS-Pilot aber seine Kreise fährt. Auf Knopfdruck gerne auch im Drift. (Guido Gluschitsch, 2.11.2017)

Foto: Guido Gluschitsch