Den "Erlöser der Welt" soll Leonardo da Vinci im zeitlichen Umfeld zur "Mona Lisa" bzw. um 1500 gemalt haben. Christie’s-Experten erwarten einen Auktionserlös von zumindest 100 Millionen Dollar.

Foto: Christie's

Hype um den noch 2005 als Werk eines Leonardo-Nachfolgers verkannten "Salvator Mundi".

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Als Bildtypus mag Salvator Mundi ("Erlöser der Welt") in der christlichen Ikonografie seit dem Spätmittelalter geläufig sein: Die rechte Hand zum Segen erhoben, in der linken hält er wahlweise eine Himmelskugel oder einen Reichsapfel als Symbol der Weltherrschaft. Als Blickfang an der Schlafzimmerwand waren Öldrucke mit seinem Antlitz ab den 1920er-Jahren überaus beliebt. Eine Geschmacksfrage.

Dass sein Konterfei zuletzt international derart für Furore sorgte, hat freilich andere Gründe. Konkret geht es um eine Version, die Experten als Werk von Leonardo da Vinci identifizierten. Nur rund 20 Gemälde des italienischen Universalgenies haben sich erhalten, alle in Museumsbesitz, wobei die im Louvre beheimatete Mona Lisa das berühmteste ist.

Wechselhafte Geschichte

Sein zeitnah zu La Gioconda datiertes Christusporträt hat eine wechselhafte Geschichte vorzuweisen. Gesichert ist, dass das Bild einem Inventareintrag aus dem Jahr 1649 zufolge dem englischen König Karl I. gehörte und bis 1763 im Eigentum der Krone blieb. Dann verlor sich seine Spur. Um 1900 erwarb es ein Sir Charles Robinson als Werk des Leonardo-Nachfolgers Bernardino Luini für die Cook Collection (Doughty House, Richmond, London).

Zu diesem Zeitpunkt wiesen das Gesicht und andere Partien des Gemäldes bereits Übermalungen auf, die in weiterer Folge zu Missinterpretationen führten. Als "School of Da Vinci" wurde es 1958 bei Sotheby's für nur 45 Pfund, damals umgerechnet rund 125 Dollar, versteigert. Und verschwand für Jahrzehnte, bis es – neuerlich verkannt – 2005 bei einer Nachlassauktion in Louisiana auftauchte. Dort erwarb es der New Yorker Kunsthändler Alexander Parish für 10.000 Dollar.

Er ersuchte seinen auf Alte Meister spezialisierten Kollegen Robert Simon um eine Expertise. Dabei blieb es nicht, vielmehr sicherte sich Simon auch gleich einen Anteil. Das Werk wurde restauriert, von den Übermalungen befreit und von zahlreichen Gelehrten untersucht. Sie bestätigten Vermutungen, wonach es sich um ein authentisches Da-Vinci-Werk handelt. Gerichtsunterlagen von 2016 zufolge hatte sich mit Warren Adelson zwischendurch ein weiterer Kollege eingekauft: Für zehn Millionen Dollar sollte ihm ein Drittel des späteren Verkaufspreises zustehen.

Causa Bouvier

Von November 2011 bis Februar 2012 gastierte die Neuentdeckung dann in der großangelegten Leonardo-Retrospektive in der National Gallery (London). Versuche des Händlerkonsortiums, das Gemälde lukrativ zu verkaufen, scheiterten an den zu hohen Preisvorstellungen: Einem Bostoner war das Bild für 200 Millionen, dem Kimbell Art Museum für 125 Millionen Dollar angeboten worden. Im April 2013 kamen schließlich das Private Sales Department von Sotheby's und Yves Bouvier ins Spiel.

Anfang Mai wurde der Deal mit 83 Millionen Dollar (inkl. Sotheby's-Provision) finalisiert. Allerdings verkaufte der Schweizer Geschäftsmann den Salvator Mundi postwendend an Dmitri Rybolowlew: für 127,5 Millionen Dollar. Die Differenz von 44,5 Millionen kassierte Bouvier.

Die Causa beschäftigt seit Anfang 2015 Gerichte: Insgesamt geht es um 38 Kunstwerke im Wert von etwa zwei Milliarden Dollar, die Yves Bouvier an den russischen Milliardär verkaufte. Zusätzlich zur vereinbarten Provision hatte Bouvier nachweislich horrende Aufschläge verrechnet. Der Streitwert liegt bei gut einer Milliarde Dollar. Jetzt lässt Rybolowlew den da Vinci bei Christie's (15. 11.) versteigern. Die monetären Erwartungen belaufen sich auf zumindest 100 Millionen Dollar. (Olga Kronsteiner, 28.10.2017)