An immer mehr Spitzenhandys lassen sich Kopfhörer mit Klinkenanschluss nicht mehr ohne weiteres anstecken.

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Es war der große Aufreger rund um das im vorletzten Jahr erschienene iPhone 7. Neun Jahre nach der Veröffentlichung des ersten Apple-Handys machte der Konzern der Klinkenbuchse den Garaus. Der Stecker mit 3,5 Millimeter Durchmesser erlaubt die Verbindung mit handelsüblichen Kopfhörern und Headsets. Wer sich kein Hörequipment mit Lightning-Anschluss anschaffen möchte, muss seit dieser Generation ein Adapterkabel mitführen.

Ein Schritt, den Apple als mutig verkauft. Man habe die "Courage", sich einer veralteten Technologie zu entledigen. Eine Meinung die längst nicht viele Beobachter teilen. Seit dem iPhone 7 sind auch einige Flaggschiffe anderer Hersteller erschienen, die sich der "Klinke" entledigt haben. Das in Cupertino entwickelte Handy hat damit zwar einen "Trend" angestoßen, es war aber nicht der Vorreiter dieser Entwicklung.

Das HTC Tytn.
Foto: HTC

Frühe Adapterlösungen

So lassen sich nicht nur diverse Tastenhandys, sondern auch Smartphones vor dem ersten iPhone (Vorstellung im Juni 2007) finden, bei denen dieses Feature abgängig war. Der Begriff "Smartphone" wird hierbei definiert als telefoniefähiges Gerät mit Touchscreen und der Möglichkeit, relativ einfach neue Programme zu installieren (Ausnahme: das erste iPhone, bei dem dies nicht möglich war sowie Blackberry-Geräte aus dieser Zeit).

Ein Beispiel wäre etwa das HTC Tytn, das ziemlich genau ein Jahr vor Apples "one more thing" das Licht der Welt erblickte. Windows Mobile 5 läuft auf dem Gerät. Wer konventionelle Kopfhörer nutzen wollte, musste mit einem miniUSB-auf-3,5mm-Adapterkabel hantieren. Drahtlos war eine Verbindung via Bluetooth 2.0 möglich. Selbiges galt auch für eine Reihe anderer Windows-Smartphones von HTC in diesen Jahren – auch etwa für das später erschienene HTC Touch und Touch Diamond.

Klinke damals kein fixer Standard

Das im Februar 2007 vorgestellte Blackberry 8800 brachte zwar die klassische Tastatur mit, für die der Hersteller bekannt ist, aber keinen 3,5mm Stecker. Wer Kopfhörer anschließen wollte, musste zu welchen greifen, deren Anschluss in den deutlich selteneren 2,5mm-Stecker passte. Alternativ gab es auch hier Bluetooth 2.0. Alleine daran lässt sich ablesen, dass die klassische Klinke bei Smartphones damals längst kein unumstrittener Standard war. Die Marktforscher von Changewave wiesen dem kanadischen Hersteller, der damals noch als "Research in Motion" firmierte, einen Marktanteil von fast 40 Prozent in den USA zu.

Auch beim damals zweitgrößten Player, Palm (rund 20 Prozent Marktanteil), war der Standard-Stecker kein durchgängiger Bestandteil bei den eigenen Geräten. Der ebenfalls mit Windows Mobile 5 laufende Treo 705v setzte neben Bluetooth 1.2 ebenfalls auf 2,5mm.

Das Blackberry 8800.
Foto: Blackberry

Erstes Android-Handy kam ohne Kopfhörerstecker

2008 brachte Google schließlich sein Android-Betriebssystem auf den Start, das in den kommenden Jahren zum Platzhirschen aufsteigen sollte. Das erste Handy, das damit ausgerüstet war, war das von T-Mobile G1, auch bekannt als HTC Dream. Mit einem brandneuen Betriebssystem, Hardwaretastatur und 3G-Unterstützung bot es einen für damalige Verhältnisse starken Featureumfang. Einen Klinkenstecker suchte man jedoch vergeblich. Für Kopfhörer musste man entweder auf einen miniUSB-Adapter oder Bluetooth 2.0 zurückgreifen.

Im Android-Bereich etablierte sich die Praxis, keine Klinke anzubieten, allerdings nicht. Es waren hauptsächlich weiterhin Geräte mit dem aussterbenden Windows Mobile (aus der Ära vor Windows Phone, nicht zu verwechseln mit dem aktuellen Windows 10 Mobile), Symbian (zB. Sony-Ericsson Satio) oder proprietären Systemen, die ohne dem bekannten Stecker auskamen.

Die Klinke war stets Fixstarter. Und dass Apple durch den Erfolg des iPhones dazu maßgeblich beigetragen haben könnte, ist zumindest keine ganz weit hergeholte Vermutung. Seltene Ausnahmen gab es freilich, zum Beispiel das R5 der chinesischen Elektronikschmiede Oppo (Android 4.4, erschienen 2014), bei dem auch ein Adapter – diesmal auf microUSB – notwendig war.

Das T-Mobile G1, vulgo HTC Dream.
Foto: T-Mobile US

2016, das Jahr des Dammbruchs

Bis zum vergangenen Jahr. Als Vorbote bietet sich das im letzten April enthüllte "Le 2", das damalige Flaggschiff des nunmehr in heftige Turbulenzen geschlitterten chinesischen Konzerns LeEco, an. Das Handy, wie auch seine zwei Schwestermodelle (Le 2 Pro, Le Max 2) setzten vollständig auf den USB-C-Anschluss des Gerätes bzw. Bluetooth 4.1. Und noch bevor das iPhone 7 vorgestellt wurde, rückte schließlich Motorola mit dem extrem schlanken und extrem buchsenlosen Moto Z an.

Das Apple-Handy, freilich, scheint den Bann gebrochen zu haben. Während Samsung den 3,5mm-Stecker beibehält, hat ihn HTC beim 10 evo, U Play, Ultra und U11 bereits wegrationalisiert. Der chinesische Riese Xiaomi hat bei seinen aktuellen Spitzenmodellen Mi 6 und Mi Mix 2 ebenfalls darauf verzichtet. ZTEs Tochterfirma Nubia hat mit dem Z17 ebenfalls ein Flaggschiff ohne Klinke am Start, bei der kompakteren Mittelklasse-Variante Z17 mini wurde sie noch beibehalten.

Google macht Scherze und zieht nach

Das Essential Phone des Android-Mitgründers Andy Rubin macht sich mit seinem "randlosen" Design zwar sehr schick aus, wer traditionelle Kopfhörer anschließen möchte, kommt nicht ohne Adapter aus. Absent ist die Buchse auch bei Huaweis Mate 10 Pro.

Dass das iPhone 8 und iPhone X dem altgedienten Stecker kein Apple-Comeback verschaffen, ist eher keine Überraschung. Dass Google mit dem Pixel 2 (XL) nun auf den Zug aufgesprungen ist, allerdings schon. Denn als man vor zwei Jahren den Erstling der neuen Smartphone-Reihe präsentierte, teilte man noch frech Seitenhiebe auf den Konkurrenten aus.

Das iPhone 7 war das erste Apple-Smartphone ohne Kopfhörerklinke.
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Aussichten

Doch was bedeutet dies für die Zukunft? Welche Pläne die einzelnen Hersteller verfolgen, lässt sich natürlich nicht sagen. Für technologische Änderungen gibt es aber in der Regel ein gewisses Muster. Demnach ist in Zukunft mit weiteren Flaggschiffen zu rechnen, die ohne Kopfhörerstecker auf den Markt kommen. Es wäre auch nicht verwunderlich, wenn 2018 die ersten Mittelklasse-Smartphones mit Designfokus ein "randloses" Gehäuse, jedoch keine Audioklinke mehr mitbringen.

Auch dürfte es nur eine Frage der Zeit sein, bis Samsung mitzieht – und damit der wichtigste Hersteller im Android-Segment. Bis die klinkenlosen Smartphones eventuell die Mehrheit der Neugeräte stellen, dürften aber noch mehrere Jahre vergehen.

Auch beim Google Pixel 2 gibt es die 3,5mm-Klinke nicht mehr.
Foto: derStandard.at/Proschofsky

Kein Einfluss auf die Nachfrage

Mit "Courage", so wie von Apple behauptet, dürfte der Wandel eher wenig zu tun haben. Auch der Kostenfaktor ist zu vernachlässigen, kostet ein solcher Anschluss als Komponenten doch nur wenige Cent. Jedoch ist ein solcher Anschluss verhältnismäßig groß, was angesichts des Bedarfs an immer mehr Sensoren und dem Drang nach möglichst schlanken Gehäusen, nicht entgegen kommt.

Dementsprechend dürften Apple und Co. hier vor allem im eigenen Interesse handeln und davon ausgehen, dass die Kundschaft ohnehin mitzieht oder längst primär auf drahtlose Audioübertragung umgestiegen ist. Und sie scheinen Recht zu behalten. Das iPhone 7 wurde, Boykottaufrufen zum Trotz, zum bis dahin erfolgreichsten Modell der Serie. (Georg Pichler, 4.2.2018)