"Girl on Fire" (2010) des australischen Experimental-filmers Tony Lawrence zeigt die empfindliche Materialität des analogen Mediums: Die rostroten Korrosionsflecken entstehen durch feuchte Lagerung.

Foto: Filmarchiv

Wien – Herzklopfen, körperliche Unsicherheit, das Gefühl räumlicher Instabilität – das sind Nebenwirkungen der interaktiven Virtual-Reality-Installation The Lacuna Shifts (2017) des österreichischen Duos Depart (Leonhard Lass und Gregor Ladenhauf). Mit dem Überstreifen der VR-Brille taucht man in einen hypothetischen, virtuellen Raum ein, der sich teils durch den eigenen Blick steuern lässt, seine Dimensionen aber auch von selbst verändert: Gerade noch ein kleines Kabinett, weiten sich die Mauern unberechenbar auf Kathedralengröße. Man beginnt nachzuvollziehen, wie sich die neue Geschwindigkeit des frühen Kinos für seine Besucher angefühlt haben muss, die für heutige Verhältnisse geradezu gemächlich daherkommt.

Es ist diese Schnittstelle zwischen dem Analogen und Digitalen – die vielerorts bereits vollzogene bildmediale Zeitenwende –, an der die Ausstellung des Wiener Metro-Kinokulturhauses ansetzt: Analog_Digital Media (Ex)changes zeigt eine kleine Auswahl zeitgenössischer künstlerischer Arbeiten, die in direkter Gegenüberstellung analoge und digitale Technologien als genuin verschiedene Weisen der Aufnahme, Verarbeitung und Wiedergabe reflektieren. Diese bringen auch eigene ästhetische, materielle und konzeptionelle Möglichkeiten mit sich.

Zukunft versus Knarzen

Während The Lacuna Shifts einen Ausblick in die Zukunft des Mediums gibt, lassen Wim Janssens Continuization Loop (2010) und Gibson+Recoders Light Spill (2005) die Apparaturen des analogen Films rattern und knarzen. Janssen hat dazu aus 150 Rollen parallel gereihter Film-Loops eine veritable Zelluloid-Wand aufgebaut, Sandra Gibson und Luis Recoder lassen einen manipulierten Projektor unablässig Film abspulen. Auf der Leinwand sind nur flüchtige Farbstreifen zu erkennen, am Boden türmt sich Film zum verworrenen Haufen.

Found-Footage-Arbeiten verzahnen derweil analog mit digital: Tony Lawrences Girl on Fire (2010) etwa macht den Lagerungsschaden auf einem Film sichtbar; indem er verlangsamt als HD-Video gezeigt wird, erhält er eine gespenstisch poetische Qualität.

Es sind Mosaikstücke der Möglichkeiten der Medien – und ihrer Verflechtungen -, die die Ausstellung zeigt, für eine Momentaufnahme des gegenwärtigen Diskurses reicht es nicht ganz. Dafür kommt das Digitale zu kurz, möglicherweise auch dem Rahmen geschuldet: Das Metro-Kinokulturhaus wird vom Filmarchiv gestaltet, das in Österreich vor allem Analogfilm bewahrt. (Kathrin Heinrich, 28.10.2017)