Abschied am Flughafen Berlin-Tegel: Pilot Nico wurde von seiner Familie nach dem letzten Flug in Empfang genommen. Air Berlin war 1978 mit zwei Fliegern als "Mallorca Shuttle" gestartet.

Berlin – "Da ist der Papa!" Der kleine Bub lacht über das ganze Gesicht und schwenkt rote Luftballons. Auch seine Schwester strahlt. Eine der vielen Willkommensszenen, wie man sie täglich auf einem Flughafen erlebt – könnte man meinen.

Papa Nico ist gerade aus Budapest gekommen, die ganze Familie erwartet ihn. Doch es ist ein wehmütiger Empfang. "Goodbye" steht auf einem großen roten Plakat, das Nicos Frau Sharon gebastelt hat. Nico ist Pilot bei Air Berlin, soeben hat er seinen letzten Flug absolviert, und nun, in der Empfangshalle, kämpft er mit den Tränen. "Es ist ein sehr trauriger und emotionaler Moment", sagt er, "meine Mutter war schon Flugbegleiterin bei Air Berlin, ich habe dort gelernt und bin dann 14 Jahre als Pilot geflogen. Und jetzt ..."

Der Satz bleibt unvollendet. Das war's. Am Freitag hat die 1978 gegründete, insolvente Airline ihren Betrieb eingestellt. Deutschlands zweitgrößter Fluglinie ist Geschichte. In der Halle wirbt Air Berlin noch mit einem großen Plakat mit seiner "new European Business Class" und preist "köstliche Smoothies" an. Zum Schluss allerdings gab es nicht mal mehr Mineralwasser.

Ausverkauf im Internet

"Es ist wirklich schade", meint auch Hanne und dreht ihr Air-Berlin-Ticket in den Händen. Sie wird es auf jeden Fall aufheben, vielleicht hat es eines Tages historischen Wert. Bei Ebay werden schon diverse Souvenirs verramscht, Decken als "Sammlerstück" angepriesen, auch Warnwesten für die Crew sind im Sortiment. "Air Berlin hat einer ganzen Generation das billige Fliegen ermöglicht", sagt Hanne, deren letzter Flug nach Helsinki geht.

Jetzt bleibt oft nur die AUA-Mutter Lufthansa, die auch große Teile von Air Berlin und von Niki übernehmen wird. "Man merkt es jetzt schon", sagt Dieter aus München. Er hat eine kleine Firma und pendelt regelmäßig zwischen der bayerischen Landeshauptstadt und Berlin. "Die Preise haben extrem angezogen bei der Lufthansa", sagt er und fügt hinzu: "Ich werde künftig wohl eher die Bahn nehmen, auch wenn es länger dauert. Aber eigentlich finde ich, dass ein so großes Land wie Deutschland zwei Fluglinien brauchen kann."

Verhandlungen im Laufen

Pilot Nico weiß noch gar nicht, wie es mit ihm weitergeht. Er ist nicht unter denen, die die Lufthansa übernimmt. Ab dem Samstag hat er erst mal "frei", aber er versichert: "Egal, was kommt, im Herzen bleibe ich immer Air Berliner." Noch wird mit Easyjet und Condor verhandelt, und der Bevollmächtigte im Insolvenzverfahren, Frank Kebekus, gibt sich optimistisch: "Wir gehen davon aus, dass wir 70 bis 80 Prozent der Arbeitsplätze überleiten können."

Allerdings werden diese Zahlen intern bezweifelt. "Die 80 Prozent sind der größte Beschiss", hat kürzlich ein Betriebsratsvertreter erklärt. Vielmehr drohe tausenden Mitarbeitern die Kündigung, da eine Transfergesellschaft über rund 50 Millionen Euro für etwa 4000 Mitarbeiter gescheitert war, weil sich Bund und Länder nicht ausreichend an der Finanzierung beteiligen wollten.

Sympathischer Botschafter

Immerhin hat Berlins Bürgermeister Michael Müller (SPD) warme Worte zum Abschied: "Die Fluggesellschaft war auf der ganzen Welt ein sympathischer Botschafter unserer Stadt." Air Berlin selbst bedankt sich "an diesem traurigen Tag bei allen Mitarbeitern, Partnern und Passagieren" und wünscht "Mach et jut".

Von ihrem Chef, Thomas Winkelmann, verabschieden sich die Mitarbeiter mit einem besonderen Song bei Youtube. "Was fühlen Sie, wenn Sie in den Spiegel sehen? Sind Sie stolz?", wird er gefragt. Winkelmann bekommt in den nächsten vier Jahren noch rund 4,5 Millionen Euro Gehalt.

Die Landung des letzten Fluges mit AB-Nummer (aus München) war für den späten Freitagabend in Berlin geplant, die Feuerwehr wollte die Maschine mit Wasserfontänen in Empfang nehmen. Allerdings steht noch ein Air-Berlin-Flieger in Island, der Flughafen behauptet, Air Berlin habe Gebühren nicht bezahlt. Zum Abschied schwenkt Pilot Nico einen Plastiksack voll der berühmten Air-Berlin-Schokoherzen und sagt: "Die hat sich die Crew dann ganz zum Schluss noch aufgeteilt." (28.10.2017)