Der 1583 in Lwiw verstorbene Iwan Fjodorow gilt als Vorreiter des Buchdrucks in kyrillischer Schrift. Heute ist Lwiw die ukrainische IT-Metropole schlechthin.

Foto: Gerald Schubert

Das Footballstadion auf dem Flachbildschirm wirft einen schwachen Lichtschein in die Halle. In ihrer Mitte steht ein junger Mann mit Datenbrille, seine Kopfbewegungen übertragen sich auf den Monitor: Was er sieht, das sehen auch wir – zum Beispiel den virtuellen Mitspieler, der unvermittelt am linken Bildschirmrand auftaucht. Unser Mann wirft ihm einen realen Ball zu, der dann auch quer über das virtuelle Spielfeld fliegt, in die Hände des künstlichen Kollegen. "Pass geglückt", strahlt der IT-Entwickler und nimmt die Brille ab. "Auch die echten Footballspieler, die damit trainieren, sind begeistert."

Informationstechnologie ist neben dem Tourismus der derzeit wichtigste Wirtschaftszweig im westukrainischen Lwiw, zu Deutsch Lemberg. Softwareunternehmen entwickeln Anwendungen für die unterschiedlichsten Bereiche, von künstlicher Intelligenz für Lagersysteme bis zum In-Flight-WLAN für Flugzeugbauer.

Die Verwaltung der Stadt mit mehr als 700.000 Einwohnern fördert diesen Boom. Branchenvertreter haben mit Unterstützung von Universitäten und Behörden den "Lwiw IT-Cluster" gegründet, der die Entwicklung vorantreiben soll.

Exklusives Steuerzuckerl

Die im internationalen Vergleich niedrigen Löhne und die gute Ausbildung der Menschen sind die Hauptgründe für die Betriebsansiedlungen vor Ort. Dazu kommt, dass die meisten Software-Entwickler formal als Einzelunternehmer beschäftigt sind, auch wenn sie meist exklusiv für eine der großen Firmen arbeiten. Letztere sparen sich die Lohn- nebenkosten, die meist jungen IT-Leute wiederum sparen Steuern: Gewerbetreibende in der Branche führen nur fünf Prozent ihres Einkommens an den Staat ab.

Der Krieg in der Ostukraine ist 1000 Kilometer entfernt und spielt auf den ersten Blick keine Rolle in dieser Stadt, deren Architektur vielerorts an das alte Wien erinnert. Spurlos ging er aber auch an österreichischen Unternehmen nicht vorüber, die in der Ukraine aktiv sind. Gerhard Bösch, Vorstand der Raiffeisen Bank Aval, berichtet von mehreren Totalausfällen im Kreditgeschäft auf der Krim und im Donbass.

Wachstumsplus

Auch die Versicherung Uniqa hat sich schnell aus den betroffenen Regionen zurückgezogen. Das Geschäft war aber auch schon vor Ausbruch des Konflikts im November 2013 auf die Westukraine konzentriert, sagt Wolfgang Kindl, Chef der Uniqa International AG. Doch seien viele Mitarbeiter direkt vom Krieg betroffen gewesen oder hätten dort Verwandte verloren. "Das sind Situationen, auf die einen keine Wirtschaftsuniversität vorbereitet", so Kindl.

Derzeit stehen die Zeichen auf Erholung. Für 2017 wird in der Ukraine ein Wachstum von zwei Prozent erwartet, sagt Österreichs Wirtschaftsdelegierter Hermann Ortner. Das dürfte besonders in Kiew und den größeren Städten der Westukraine zu spüren sein. Etwa in Lwiw, das von Wien nur zirka halb so weit entfernt ist wie von den Kampfgebieten im Osten (Gerald Schubert aus Lwiw, 28.10.2017)