Das isländische Parlament in Reykjavík.

Foto: AFP Halldor Kolbeins

Reykjavík/Wien – Wenn die Isländer an diesem Samstag früher als geplant zu den Urnen schreiten, wird die links-grüne Partei von Ex-Bildungsministerin Katrín Jakobsdóttir gute Chancen auf einen knappen Sieg haben. In letzten Umfragen lag sie mit Werten zwischen 19 und 23 Prozent Kopf an Kopf mit der konservativen Unabhängigkeitspartei.

Die Mitte-rechts-Regierung von Ministerpräsident Bjarni Benediktsson war Mitte September zerbrochen. Damals war bekannt geworden, dass sein Vater für die Rehabilitierung eines wegen Sex mit Minderjährigen verurteilten Freundes interveniert hatte. Die Koalitionspartner – die liberalen Kleinparteien "Erneuerung" und "Strahlende Zukunft" – kündigten die Regierungszusammenarbeit mit Benediktsson daraufhin auf.

Einiges deutet darauf hin, dass es jetzt zu einer politischen Wende kommt. Mit den Sozialdemokraten und der Piratenpartei hatten zwei wahrscheinliche Koalitionspartner der Grünen die dritt- und viertbesten Umfragewerte.

Die die Interessen der Landwirtschaft und der Fischerei vertretende Fortschrittspartei war vor sechs Wochen infolge eines Führungsstreits in zwei Teile zerbrochen. Der umstrittene, weil in die Panama-Papers-Affäre verwickelte Ex-Ministerpräsident Sigmundur Davíð Gunnlaugsson trat aus der Partei aus und ging mit der neu gegründeten Zentrumspartei in den Wahlkampf. Mit ihr liegt er in den Umfragewerten vor seinen bisherigen Parteifreunden.

Undurchsichtige Geschäfte

Vor zwei Wochen tauchten neue Verdachtsmomente auf, Benediktsson könnte ebenfalls in undurchsichtige Geschäfte im Zusammenhang mit dem Bankencrash von 2008 verwickelt gewesen sein. Der Wahlkampf stand zuletzt im Schatten dieser Enthüllungen. Der Masseverwalter der Pleitebank Glitnir ging rechtlich gegen isländische Medien vor, die auf geleakten Dokumenten basierende Berichte über Benediktssons Geschäfte mit der Bank veröffentlicht hatten.

Selbst wenn es Benediktsson trotz dieser Handicaps gelingen sollte, die Konservativen erneut als stärkste Fraktion im 63 Sitze zählenden Althingi zu etablieren, dürfte es für ihn nicht leicht werden, eine stabile Mehrheit zustande zu bringen. Seine bisherigen Koalitionspartner müssen jedenfalls mit schweren Verlusten rechnen. Ausgerechnet für die sozialliberale "Strahlende Zukunft" sieht Letztere besonders düster aus: Die Partei dürfte mit hoher Wahrscheinlichkeit den Wiedereinzug ins Parlament verpassen. (Andreas Stangl, 28.10.2017)