Der Bäcker Gerhart Hinterwirth versucht sich regelmäßig an neuen Brotkreationen. Innovation spielt im Lebensmittelbereich zunehmend eine wichtige Rolle.

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Wien – Manchmal dauert es, bis Ideen gefunden werden, auch wenn sie direkt vor der Haustüre liegen. Im wortwörtlichen Sinn ist das bei einer Gmundner Bäckerei geschehen. Der Betrieb wird in neunter Generation im Salzkammergut geführt, auf die Idee, heimische Sole, die natürlichste Form des Salzes, im Brot zu verwenden, ist Geschäftsführer und Bäcker Gerhart Hinterwirth jedoch erst gekommen, als er einen Kollegen in der Schweiz besucht hat. Dieser bäckt sein Brot bereits seit Jahren mit dem Rohstoff aus Österreich.

Hinterwirth hat daraufhin begonnen, selbst an Rezepten mit Sole "herumzutüfteln", wie er im Gespräch mit dem STANDARD erzählt. Vor wenigen Wochen stellte er die gesamte Produktion um, sämtliche Rezepte des 148 Jahre alten Unternehmens werden nun mit Sole gebacken.

Prost Mostbrot

Gerade das Bäckerhandwerk sei eines, in dem geringe Veränderungen Geschmack und Konsistenz stark beeinflussen können, meint Hinterwirth. Eine der Innovationen des Bäckermeisters ist ein Mostbrot, das mittlerweile sein bestverkauftes Produkt ist. Diesem wird – mit Ausnahme der Sole – keine Flüssigkeit außer Most beigefügt. Solche neue Ideen bräuchten Zeit, erzählt Hinterwirth: Die Entwicklung des Brotes war beispielsweise aufgrund der Reaktion zwischen Sauerteig und Alkohol kompliziert.

In Innovationsprozessen liege "eine Chance für das Handwerk", meint der Bäcker: "In Industrieanlagen ist so etwas schwieriger." Der Gmundner ist mit seiner Suche nach neuen Ideen bei weitem nicht allein: Immer mehr Kleinunternehmen, aber auch etablierte Lebensmittelhersteller versuchen, ihr Geschäft durch Innovationen aufzubessern.

Rosa Schokolade

In der Schweiz etwa gelang es dem Chocolatier Barry Callebaut heuer, erstmals rosafarbene Schokolade herzustellen, die 80 Jahre nach der Einführung der weißen Schokolade als eine Art "vierte Sorte" gefeiert wird. Auch hierzulande mangelt es nicht an Innovationen im Food-Bereich.

In Österreich etwa zählt der Weinbergschneckenzüchter Andreas Gugumuck zu den Pionieren im Lebensmittelbereich, ebenso wie das Unternehmen "Hut und Stiel". Der vor drei Jahren gegründete Betrieb züchtet im 20. Wiener Bezirk Biopilze auf Kaffeesud. Das Geschäft läuft: Im Jänner will der Betrieb aufgrund der hohen Nachfrage in eine größere Produktionsstätte umsiedeln.

"Es tut sich gerade schon sehr viel im Food-Bereich", kommentiert Gründer und Schwammerlzüchter Manuel Bornbaum den Aufschwung der Kleinbetriebe im Food-Bereich. Landwirte würden sich immer besser selbst vermarkten, zahlreiche Quereinsteiger die Branche aufmischen. Diese Meinung teilt auch die Lebensmittelexpertin Hanni Rützler: "Es gibt viele Quereinsteiger, die Erfahrungen aus anderen Branchen mitnehmen."

Cupcake-Boom

Im Lebensmittelgewerbe gebe es derzeit geradezu einen Boom, sagt Anka Lorencz, Geschäftsführerin der Bundesinnung Lebensmittelgewerbe. Vor allem im Konditorbereich würden die Neugründungen stark steigen: "Immer mehr Einpersonenunternehmen backen Cupcakes, Weihnachtskekse oder Anlasstorten", sagt Lorencz. Der Großteil der Antragsteller hätte keine Konditorlehre abgeschlossen, sondern bemühe sich um eine individuelle Befähigung für das jeweilige Produkt.

Konsumtrends beeinflussen die Neugründungen stark, meint Lorencz. Vor allem im Gesundheitsbereich gebe es derzeit zahlreiche Innovationen, vom Wellnessschinken bis zu Smoothies. In den letzten Jahren sei außerdem die Zahl an Pesto- und Chutneyproduzenten stark gestiegen. Ein Beispiel dafür ist das Unternehmen "Unverschwendet", das Lebensmittel, die sonst im Mistkübel landen würden, zu Chutneys und Co verarbeitet.

Kundenwünsche

Den Trend Richtung Ökologie und Regionalität orten auch anderen Experten. "Mit 'Schneller, billiger, mehr' erreicht man Kunden nicht mehr", meint Rützler. Gerade für kleinere Unternehmen sei es einfacher, auf sich verändernde Kundenwünsche einzugehen, da sie nicht wie "die Großen" an einen Leitgeschmack gebunden sind. Denn: "Ein Produkt, das nur eine neue bzw. adaptierte Rezeptur hat, ist noch keine Innovation", so die Lebensmittelexpertin.

Nicht nur Junggründer bringen neue Produkte auf den Markt, auch alteingesessene Unternehmen versuchen mitzuhalten. "Wir haben ein so breites Lebensmittelangebot wie noch nie", sagt Katharina Koßdorff, Geschäftsführerin des Fachverbandes der Lebensmittelindustrie. Ein Beispiel ist der Leberkäseproduzent Neuburger, der seit mehr als einem Jahr mit "Hermann Fleischlos" eine zweite, vegetarische Schiene eingeführt hat.

"Innovation hat im Lebensmittelbereich einen besonderen Stellenwert", so die Expertin. Grund dafür seien die sich stetig verändernden Bedürfnisse und Erwartungen der Kunden. Besonders innovativ ist laut Koßdorff die Getränkebranche. Vor allem im Bierbereich würde es zahlreiche Neuzugänge geben, die auch immer wieder zu Kooperationen zwischen Kleinbetrieben und industriellen Bierproduzenten führten. (Nora Laufer, 28.10.2017)