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Ein Blick auf das Kernkraftwerk Hinkley Point im Südwesten von England. Zwei der vier Reaktoren wurden stillgelegt, nun sollen zwei neue – C1 und C2 – mithilfe kräftiger Preisstützungen errichtet werden. Dagegen laufen Atomkraftgegner in ganz Europa Sturm – wie auch die Republik Österreich.

Foto: Reuters / Stefan Wermuth

Wien – Vor kurzem fand vor dem Gericht der Europäischen Union (EuG) die Anhörung zur Klage der Republik Österreich gegen den Genehmigungsbeschluss der Europäischen Kommission zur umstrittenen Finanzierung des Kernkraftwerks Hinkley Point C vom Herbst 2014 statt. Wie das Gericht in einigen Monaten entscheiden wird, ist offen.

Die Kommission begründete die Zulässigkeit zum einen mit dem gemeinsamen Interesse an der Förderung des Ausbaus der Atomkraft, das aus Art. 2 lit. c) iVm Art. 40 Euratom-Vertrag folgt, zum anderen mit einem Marktversagen in Bezug auf die Finanzierung von Kernkraftwerken, das ein Eingreifen des Staates zur Förderung CO2-armer Stromerzeugung rechtfertige.

Österreich hat diese Vorgangsweise vehement kritisiert. Bereits bei der Marktdefinition und der Feststellung eines Marktversagens seien erhebliche Fehler unterlaufen. Brüssel berücksichtige bei der Beurteilung ausschließlich die Kernenergie und ignoriere, dass der Markt taugliche Lösungen etwa bei erneuerbaren Energien zur Verfügung stelle.

Vorhaben von gemeinsamen Interesse

Weiters steht die Frage an, ob die Förderung der Kernenergie überhaupt ein Ziel sein kann, das eine staatliche Förderung rechtfertigt. Nur Vorhaben von gemeinsamem Interesse sind nach der Beihilfenpraxis der Kommission förderungswürdig. Zwar definiert der Euratom-Vertrag, dem auch Österreich beigetreten ist, in seinem Artikel 2 lit. c) ganz allgemein die "Entwicklung" der Kernenergie als gemeinsames Ziel aller EU-Mitgliedstaaten.

Österreich argumentiert jedoch u. a., dass das genannte Ziel bereits erreicht sei, da in ganz Europa zahlreiche AKWs errichtet worden sind. Darüber hinaus laufe dieses Ziel einer Reihe anderer EU-Zielbestimmungen zuwider wie etwa dem Umweltschutz, dem Verursacherprinzip sowie dem Ziel der Entwicklung erneuerbarer Energiequellen.

Wesentlich ist weiters die Frage, ob Beihilfen, die der Finanzierung von Kernkraftwerken dienen, nur nach dem Euratom-Vertrag zu beurteilen sind – sodass für diese gleichsam ein Sonderregime gilt – oder ob für sie auch das Prüfschema des allgemeinen Unionsvertrags (AEUV) maßgeblich ist.

Die Kommission vertrat dazu in der mündlichen Verhandlung die Auffassung, dass die Bestimmungen des AEUV nur anwendbar sind, wenn dadurch die Euratom-Ziele nicht gefährdet sind. Damit stellt sie die Förderung der Kernenergie quasi außerhalb des EU-Beihilfenrechts – anders als in ihrem Eröffnungsbeschluss des Prüfverfahrens, in dem es hieß, dass die Förderung der Atomkraft den Wettbewerb nicht verfälschen darf.

Was für eine Beihilfe?

Entscheidend ist auch die Frage, ob bei Hinkley Point C eine Betriebs- oder Investitionsbeihilfe vorliegt. Österreich argumentiert, dass die Kommission zu Unrecht von einer Investitionsbeihilfe ausgegangen ist und daher einen falschen Prüfungsmaßstab angewandt hat.

So sind Betriebsbeihilfen grundsätzlich mit Art. 107 Abs. 3 lit. c) AEUV unvereinbar, da sie den Wettbewerb ohne legitimen Zweck verfälschen – Investitionsbeilhilfen nicht unbedingt. Die Kommission scheint sogar eine neue Kategorie kreiert zu haben: Sie spricht mit Hinweis auf die besonderen Investitionsrisiken des britischen Projektes von "einer Investitionsbeihilfe äquivalent".

Dagegen spricht jedoch, dass die Förderung nicht auf die Bauausführung abzielt, sondern einen Preiszuschussmechanismus während des Betriebes für die Dauer von 35 Jahren vorsieht. So knüpft sie auch nicht an bestimmte Errichtungsfortschritte an, sondern an den AKW-Betrieb.

Dass eine Betriebsbeihilfe faktisch Investitionen begünstigt, macht diese noch lange nicht zu einer Investitionsbeihilfe. In ihrem Eröffnungsbeschluss ging die Kommission noch von einer Betriebsbeihilfe aus. Warum sie im Beihilfenbeschluss von dieser Rechtsansicht abweicht, ist nicht ersichtlich. Auch nach den Leitlinien für Umweltschutz- und Energiebeihilfen 2014 bis 2020 werden vergleichbare Förderungen als Betriebsbeihilfen qualifiziert.

Starke Argumente

Die Entscheidung des EuG könnte den Bau oder die Erweiterung weiterer Kernkraftwerke an den Grenzen Österreichs vorantreiben und alternative Stromanbieter in Bedrängnis bringen. So hat die Kommission erst im März die Erweiterung des ungarischen AKWs Paks II ebenfalls als zulässige Beihilfe genehmigt.

Das Bundeskanzleramt prüft derzeit die Erfolgsaussichten einer Klage auch in diesem Fall. Die Klage zu Hinkley Point C hat bereits bewirkt, dass potenzielle Investoren wie die Staatsfonds von Kuwait und Katar, die Saudi Electric Company sowie der Hermes Investment Fund von weiteren Investitionen in die Kernkraft abgehalten wurden.

Österreichs Argumente stießen bei der Anhörung auf großes Interesse. Allerdings verfügt die Kommission bei der Prüfung der Rechtmäßigkeit von Beihilfevorhaben über ein weites Ermessen, sodass die Unionsgerichte nur bei offensichtlichen Beurteilungsfehlern einen Kommissionsbeschluss aufheben.

Bei Beurteilungen mit technischem oder komplexem Charakter wie in diesem Fall ist die gerichtliche Nachprüfung im Wesentlichen auf das herangezogene Beweismaterial beschränkt. Eigene wirtschaftliche Beurteilungen sind den Unionsgerichten nicht erlaubt. (Kathrin Hornbanger, 30.10.2017)