Wer hat in Island eigentlich das Sagen? Die Frage drängt sich nach dem Ergebnis der vorgezogenen Parlamentswahlen in Island auf. Da kollabiert das gesamte Bankenwesen eines Staates innerhalb weniger Tage, und neun Jahre später stellt man fest, dass trotzdem stets dieselben Personen obenauf bleiben.

Massive Straßenproteste führten zwar zum Sturz von mindestens zwei Regierungen, aber letztlich hielten sich Vertreter ähnlicher Gruppen an der Macht. Das gilt sowohl für Politiker wie den 2016 aus dem Amt gejagten Ex-Premier Sigmundur Davíð Gunnlaugsson und den aktuellen Premier Bjarni Benediktsson. Es gilt aber auch für verschiedene Finanzjongleure und Wunderwuzzis, die nach dem Bankencrash rasch ins Wirtschaftsleben zurückkehrten. Ihnen gemeinsam sind unwiderlegte Vorwürfe, ihre Vermögen über karibische Briefkastenfirmen vor dem Ausbruch der Finanzkrise ins Trockene gebracht zu haben.

Vor zwei Wochen erwirkte der Masseverwalter der ehemals größten Privatbank des Landes, Glitnir, ein bis nach den Wahlen aufrechtes Veröffentlichungsverbot von "geleakten" Dokumenten. Sie hätten womöglich ein neues Licht auf diese Machenschaften geworfen. Damit wurde den krisengeplagten und verschuldeten Isländern die Möglichkeit genommen, gegebenenfalls die Wahrheit über jene zu erfahren, die sie nun mit ihrer Stimme wieder in den Sattel gehievt haben. Demokratiepolitisch ist das bedenklich. (Andreas Stangl, 30.10.2017)