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Internationale Organisationen wie der IWF verlangen eine Diskussion über höhere Vermögenssteuern, um die extreme Ungleichheit bei der Verteilung von Vermögen auszugleichen.

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Grafik: die Entwicklung von Erbschafts- und Vermögenssteuern in Industrieländern.

Wien – Die Mehrheit fiel deutlich aus. 365 Abgeordnete stimmten vergangene Woche in der französischen Nationalversammlung für die endgültige Abschaffung der sogenannten Solidaritätssteuer auf hohe Vermögen, gerade einmal 172 Abgeordnete waren dagegen.

Die Profiteure der Entlastung sind jene Franzosen, deren bewegliches und unbewegliches Vermögen über einem Wert von 1,3 Millionen Euro liegt. Für sie entfällt die bisherige Abgabe in Höhe von 0,5 bis 1,5 Prozent der Vermögenswerte künftig größtenteils.

Auf der anderen Seite des Atlantiks können sich Vermögende ebenfalls freuen. Die Republikaner wollen in den USA im Rahmen der geplanten Steuerreform die bisherige Erbschaftssteuer, von Kritikern gern "death tax" genannt, ersatzlos streichen. Die Steuer ist bisher lediglich im Falle sehr reicher Erblasser angefallen, lag die Freigrenze doch bei 5,4 Millionen US-Dollar.

Im internationalen Vergleich Ausreißer

Das Ende der Reichensteuer in Frankreich und die zeitgleich geplante Abschaffung der Erbschaftssteuer in den USA: Ist das Zufall, oder beginnt da eine neuer internationaler Wettbewerb in Richtung Entlastung von Vermögenden? Die USA und Frankreich zählen zu den größten Volkswirtschaften der Welt, und gerade im Steuerrecht, wo international ein harter Wettbewerb um Kapital herrscht, wird jede Veränderung genauestens beäugt.

Allerdings sind die USA und Frankreich im internationalen Vergleich Ausreißer. In den meisten Ländern entfällt nur ein Bruchteil der Staatseinnahmen auf die Besteuerung von Erbschaften und Schenkungen, Immobilien oder sonstige Vermögen wie Geld oder Aktienbesitz. Im EU-Schnitt beziehen Länder nur 2,9 Prozent ihrer Einnahmen aus vermögensbezogenen Steuern. In Österreich ist der Anteil sogar deutlich geringer und liegt bei nur knapp über einem Prozent.

Kein Wettlauf erwartet

In Frankreich dagegen spielen Vermögensteuern eine wichtige Rolle (siehe Grafik). Die USA sind ebenfalls ein Sonderfall, dort liegt der Anteil der Einnahmen aus vermögensbezogenen Steuern bei rund zehn Prozent und damit sogar höher als in Frankreich.

Der Wiener Ökonom Stefan Humer glaubt nicht, dass die Reformen in Paris und Washington einen Wettlauf nach unten auslösen. Die Abgabenlast auf Vermögen in Frankreich wird sich nach der Senkung dem Niveau in Europa erst annähern, das dürfte also keinen Druck auslösen.

Und in den USA wird die Abschaffung der Erbschaftssteuer an der Ausreißerposition des Landes in puncto Vermögensteuern nichts ändern. Der allergrößte Teil der Einnahmen in den USA stammt aus Immobiliensteuern, wegen der hohen Freibeträge spielte die Erbschaftssteuer schon bisher nur eine untergeordnete Rolle.

Die Entwicklung in den USA und Frankreich ist aus Sicht von Vermögensforschern wie Humer allerdings interessant, weil die Steuersenkungen im Widerspruch zu dem Tenor der internationalen Debatten stehen.

Vor zwei Wochen erst hat der Internationale Währungsfonds (IWF) eine Analyse der steigenden Ungleichheit der Einkommens- und Vermögensverteilung in vielen Ländern veröffentlicht. "Die zehn Prozent der reichsten Bürger in Industrieländern verfügen über 50 Prozent des Vermögens", so der Währungsfonds.

Diese Ungleichheit zeige, dass es genügend Spielraum gäbe, "um das Steuersystem progressiver zu gestalten", so der IWF, also Wohlhabende stärker zur Kasse zu bitten und Ärmere zu entlasten.

Faktor Arbeit entlasten

Als Maßnahmen schlägt der Währungsfonds eine Erbschaftssteuer vor, als Alternative nennt er Immobiliensteuern. Zuletzt hat sich auch die Industriestaatenorganisation OECD des Themas Verteilungsgerechtigkeit stärker angenommen. Tenor bei der OECD: Die Belastung des Faktors Arbeit ist in vielen Ländern zu hoch, dafür gebe es Spielraum bei vermögensbezogenen Steuern.

In einer Untersuchung aus dem Jahr 2010 heißt es, dass Unternehmenssteuern am schädlichsten für die wirtschaftliche Entwicklung eines Landes sind. Dann kommen Einkommen- und Konsumsteuern. Die geringsten negativen Auswirkungen entfalten demnach Steuern auf unbewegliches Vermögen.

Der prominente französische Ökonom Thomas Piketty kritisierte die Maßnahmen in Frankreich aus exakt diesem Blickwinkel: Während man in internationalen Debatten zum Ergebnis komme, dass mehr gegen Ungleichheit getan werden müsse, entlaste Frankreich ausgerechnet jetzt die Reichen, so Piketty in seinem Blog.

Frankreichs Regierung argumentiert dagegen, dass die Reichensteuer dem Land geschadet habe: Da die Abgabe auch für bewegliches Vermögen galt, sei sie leicht vermeidbar gewesen. Franzosen hätten ihr Vermögen ins Ausland geschafft. Deshalb sei eine reine Immobiliensteuer, wie es sie künftig geben wird, sinnvoller. (András Szigetvari, 30.10.2017)