"Ragtag" hätte Spieler in die Rolle von "Star Wars"-Banditen versetzt.

Foto: Visceral Games / EA

Nach der Schließung von Spielhersteller Visceral Games und der Einstellung dessen "Star Wars"-Abenteuers "Ragtag" sah es zunächst danach aus, als sei das Projekt EAs strategischer Ausrichtung weg von Einzelspielererfahrungen hin zu "Games als Service" zum Opfer gefallen. Darauf ließ zunächst auch eine offizielle Aussage des Worldwide-Studios-Chefs Patrick Söderlund schließen.

Doch ein aktueller Bericht der Branchenseite Kotaku, der sich auf die Aussagen dutzender ehemaliger Visceral-Mitarbeiter stützt, zeichnet nun ein anderes Bild. Den Insidern zufolge habe das ambitionierte Action-Adventure im "Star Wars"-Universum von Anfang auf wackeligen Beinen gestanden. Dass es nicht schon viel früher abgedreht wurde, sei letztendlich darauf zurück zu führen, dass EAs Entscheider trotz der vielen Probleme an das Projekt glauben wollten.

Das falsche Studio

Unter dem Codenamen "Ragtag" arbeitete Visceral laut ehemaligen Entwicklern im Prinzip an einem "Uncharted" für "Star Wars"-Fans. Dafür hatte EA schließlich auch die Regisseurin und Autorin Amy Hennig engagiert, die zuvor an "Uncharted 1–3" gearbeitet hatte. Doch so großartig sich die geplante Story um einen Sci-Fi-Banditen im Stile eines abgehalfterten Han Solo laut Mitarbeitern anhörte, so schwierig erwies sich die Umsetzung.

Einerseits war Visceral als relativ kleines Studio mit rund 80 Mitarbeitern nicht stark genug aufgestellt, um ein Multimillionenepos wie "Uncharted" zu realisieren, was dazu führte, das EA andere Studios zur Unterstützung hinzuziehen musste. Weiters stand Visceral vor einer großen technischen Hürde. EA bestand darauf, dass auch "Ragtag" wie alle anderen Games des Herausgebers auf Basis der hauseigenen Frostbite-Entwicklungssoftware produziert werden muss. Ein weiterer Hemmfaktor von außen: Durch die "Star Wars"-Lizenz hätte jede inhaltliche Entscheidung von Lucas Film abgesegnet werden müssen.

"Uncharted" im "Star Wars"-Universum

Andererseits scheint es zahlreiche interne Schwierigkeiten gegeben zu haben. So stieß sich Hennigs Vision vom Spiel offenbar mit jener der Game-Designer und der Produzenten. Hennig plante im Prinzip ein "Uncharted" in anderen Gewändern, was den Verantwortlichen zu wenig Unterscheidungsmerkmale vorweisen konnte. So kam die Idee, die Geschichte in den Rollen mehrere Protagonisten zu erzählen, was jedoch die Ressourcen bei weitem überstieg. Viel der Entwickler fürchteten aufgrund der vielen technischen und personaltechnischen Hürde, so nicht aus dem Schatten von "Uncharted" herauskommen zu können. EAs Manager zweifelten überdies daran, dass sich ein "Star Wars"-Spiel ohne klassische "Star Wars"-Merkmale wie Jedis und Lichtschwerter gut vermarkten ließe.

"Dieses Spiel hätte nie gut sein können"

All diese Probleme führten zu einer stark verlangsamten Entwicklung des Spiels. Anfang 2017 erreichte man dennoch einen weiteren Meilenstein und EA gab grünes Licht für die nächste Phase, in der eine interne Demo entwickelt werden sollte, um das Potenzial von "Ragtag" unter Beweis zu stellen. Dabei heraus kamen drei Szenen, die offenbar zu stark an Episoden von "Uncharted" erinnerten, um EAs Bedenken auszuräumen. Wenige Tage nach der Demo folgte das Ende des Projekts und die Schließung von Visceral.

"Um ehrlich zu sein, es war ein Gnadenschuss", sagt ein ehemaliger Entwickler gegenüber Kotaku. "Dieses Spiel hätte nie gut sein und herauskommen können."

Alles neu

Laut einer Stellungnahme Söderlunds soll aber nicht die ganze Arbeit vergebens gewesen sein. Die erstellten Assets zu "Ragtag" würden nun für den Projektneustart weiterverwendet, der bei EA Vancouver nun andere Ansätze verfolgen soll. Die Leitung der "Ragtag"-Entwicklung übernimmt Produzent Steve Anthony, der zuvor unter anderem "Battlefield: Hardline" und "Army of Two: The Devil's Cartel" herausbrachte. Ob und wie Amy Hennig an dem Projekt weiter wirken wird, entscheide sich erst. (zw, 30.10.2017)