Blick in das Gebäude des katalanischen Regionalparlaments, an der Wand hängt das Bild des inzwischen von Madrid abgesetzten Regionalregierungschefs Carles Puigdemont.

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Barcelona/Madrid – Die spanische Staatsanwaltschaft hat Anklage gegen die Mitglieder der entmachteten katalanische Regionalregierung erhoben. Dem ehemaligen Regionalpräsidenten Carles Puigdemont und weiteren Angehörigen der abgesetzten Regierung würden Widerstand gegen die Staatsgewalt, Rebellion und Unterschlagung öffentlicher Gelder vorgeworfen, sagte Generalstaatsanwalt José Manuel Maza am Montag. Die Regierungsmitglieder sollen zu Vernehmungen vorgeladen werden. Nach spanischem Recht muss ein Richter über die Zulassung der Anklage entscheiden.

Carles Puigdemont befindet sich nach Angaben aus Spanien derzeit in Brüssel. Dies bestätigte das spanische Innenministerium laut Medienberichten. Auf Twitter wurde über eine "Flucht nach Belgien" spekuliert. Offenbar wolle Puigdemont um politisches Asyl ansuchen. Für den Nachmittag sei eine Erklärung von Puigdemont angekündigt. Offenbar wolle der von Madrid geschasste katalanische Regionalpräsident einer Verhaftung in Spanien gehen, wurde in verschiedenen Tweets spekuliert. Auch andere Mitglieder von Puigdemonts abgesetzter Regierung sollen sich in der belgischen Hauptstadt aufhalten.

Puigdemont hatte im Unabhängigkeitsstreit wiederholt die EU um Vermittlung gebeten. Diese hat sich jedoch eindeutig auf die Seite der spanischen Regierung gestellt und auch nach der Entmachtung Puigdemonts am Freitag erklärt, für sie sei nur die Regierung in Madrid Gesprächspartner.

Keine Zwischenfälle in Brüssel

Der erste Arbeitstag unter Zwangsverwaltung der Zentralregierung verlief in Katalonien vorläufig ohne Zwischenfälle. Die meisten der 300.000 Staatsbediensteten erschienen wie üblich zur Arbeit, Berichte über zivilen Ungehorsam gab es nicht. Auch die entlassenen Regierungsmitglieder widersetzten sich nicht offensichtlich den Anordnungen. Es gab auch keine Anzeichen für spontane Proteste auf den Straßen. Eine Routinesitzung des Regionalparlaments wurde abgesetzt. An der Börse in Madrid wurde die Entwicklung mit Erleichterung und Kursgewinnen aufgenommen.

Der spanische Außenminister Alfonso Dastis geht weiterhin davon aus, dass Katalonien nach der Wahl im Dezember Teil Spaniens bleibt. Mithilfe dieser vorgezogenen Wahl werde die Rechtsstaatlichkeit in der Region wiederhergestellt, sagte Dastis am Montag. "Wir hoffen und gehen davon aus, dass Katalonien nach dieser Wahl wieder die gleiche Gesellschaft wie zuvor sein wird: offen und integriert."

Nach der Verkündung der Unabhängigkeit durch das Parlament in Barcelona am Freitag hatte die Zentralregierung die Regierungsgewalt übernommen, die Regionalregierung abgesetzt und Neuwahlen für den 21. Dezember angesetzt. Jüngsten Umfragen zufolge liegen die Gegner einer Loslösung von Spanien vor den Separatisten.

Puigdemont meldet sich auf Instagram

Der abgesetzte Regionalpräsident Puigdemont hatte sich zuletzt am Montag Morgen mit einem Eintrag auf Instagram zurück. Er postete ein Foto des Innenhofs des Palau de la Generalitat de Catalunya, des Sitzes der Regionalregierung, und schrieb dazu auf Katalanisch und mit einem lachenden Smiley: "Guten Morgen".

Ob das Foto tatsächlich vom Montag stammt, war zunächst unklar, ebenso die längste Zeit, wo sich Puigdemont wirklich aufhält.

"Normalität mit größter Diskretion"

Der ehemalige katalanische Verkehrsminister Josep Rull kam trotz seiner Absetzung am Montag wie gewohnt ins Büro, wie er auf einem Foto auf Twitter zeigte. "Im Büro, den Pflichten nachkommend, die uns das Volk Kataloniens gegeben hat", schrieb er dazu.

Spaniens Innenminister Juan Ignacio Zoido hatte in der Früh dem Fernsehsender Antena 3 gesagt, die Beamten hätten einige Stunden Zeit, um ihre persönlichen Sachen aus den Büros zu räumen, "weil wir die Normalität mit größter Diskretion und nach dem Prinzip minimalen Einschreitens wiederherstellen wollen", wie Europapress berichtete.

Kataloniens Beamte beziehen ihr Gehalt von den katalanischen Behörden, rund 100.000 sind beim spanischen Staat angestellt. Mehrere spanische Minister hatten am Wochenende damit gedroht, jene zu entlassen, der sich den Anweisungen widersetzen. Die Separatisten hatten die Unabhängigkeitsbefürworter zu zivilem Widerstand gegen die Zwangsverwaltung aufgerufen.

Nach der Verkündung der Loslösung von Spanien am Freitag hatte die Zentralregierung die Regierungsgewalt in Katalonien übernommen, die Regionalregierung entlassen und Neuwahlen angesetzt. Jüngsten Umfragen zufolge verlieren die Separatisten an Unterstützung. In einer Befragung für die Zeitung "El Mundo" sind es nur noch 33,5 Prozent, in einer Umfrage für "El País" kommen die Separatisten gar nur auf 29 Prozent. Im Juli war die Zustimmung laut Angaben der katalanischen Regierung noch bei 41,1 Prozent gelegen. (APA, Reuters, 30.10.2017)