Schauspieler und Präsident, Präsident als Rolle: Ronald Reagan wird in "The Reagan Show" noch einmal als Pionier des bildgesteuerten Politikers unter die Lupe genommen.


Foto: Filmfestival Jihlava

Es gehe darum, ein Dreieck zu bilden, sagt der aufstrebende Präsidentschaftskandidat mit Nachdruck. Eine klare, positive Haltung gegenüber den Flüchtenden, ein ebenso unmissverständliches Signal, was die Frage der Sicherheit anbelangt, und drittens das Bekenntnis zur freien Marktwirtschaft in Europa. Als Emmanuel Macron eines der Rezepte formuliert, das ihn zum jüngsten Repräsentanten Frankreichs werden ließ, klingt es, als hätte er dies gerade erfunden, so nebenbei, in einer der vielen Sitzungen zwischen Wahlkampfauftritten.

Überhaupt festigt sich in Macron: Hinter den Kulissen des Sieges von Yann L'Hénoret der Eindruck, dass der damals 38-jährige Shootingstar nie Atem holt: Jedes Problem wird umgehend aus dem Weg geräumt, jeder Neuentwicklung mit einem Schachzug begegnet. Manchmal ist er allenfalls ein wenig heiser. Der Weg an die Spitze, meint man am Ende dieses rasant geschnittenen Films, war eigentlich unausweichlich.

Yann L'Hénorets Film bildete am Samstag den Abschluss des 21. Filmfestivals im tschechischen Jihlava, einem Fixpunkt für dokumentarische Mischformate in Zentraleuropa (der Film ist auch auf Netflix abrufbar). Nahaufnahmen der Politik sind längst ein Standard dieser Gattung, doch gegenwärtig scheint sie einen regelrechten Boom zu erleben.

Mit Sicherheit auch eine Reaktion auf die populistische Zuspitzung in der (Bilder-)Politik: Neben dem Film über Macron, den ein affirmativer Blick umschmeichelt, gab es in Jihlava auch weniger freundliche über Donald Trump und Ronald Reagan, den deutschen AfD-Politiker Jörg Meuthen oder den ehemaligen slowakischen Ministerpräsidenten Vladimír Meciar zu sehen.

Homestory im Weißen Haus

Ein Rückblick auf Reagan ist deshalb so lohnend, weil die Medialisierung eines Politikerimages hier erstmals so große Bedeutung erfuhr. Reagan gab es praktisch als Homestory aus dem Weißen Haus, machen die Filmemacher Pacho Velez und Sierra Pettengill in The Reagan Show deutlich.

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Sie zeigen auch die Schnipsel, die nie an die Öffentlichkeit gingen, etwa Reagans Wahlempfehlung für einen Republikaner aus New Hampshire, dessen Namen ihm nicht über die Lippen gehen will, weil er ihn offenbar gar nicht kennt. "Trust, but verify", ein russisches Sprichwort, wiederholte der Exschauspieler dann so oft rund um seine Gipfeltreffen mit Gorbatschow, bis sich dieser einmal selbst darüber lustig machte. Reagan leicht beschämt: "I like it."

Je länger man in The Reagan Show hinter die Kulissen schaut, desto mehr meint man, einen Blick auf einen Darsteller ohne Rolle zu erhaschen. Der erzählt gern halblustige Witze und lässt mitunter etwas unbeholfen die Arme aus karierten Hemden baumeln. Dass der Wettlauf mit Gorbatschow nicht nur einer um Popularitätswerte war, gilt als gesichert; dennoch kann man in dieser Collage offen sehen, in welchem Ausmaß sein Narzissmus Ronald Reagan angetrieben haben muss.

Eitelkeit mag auch im Spiel gewesen sein, als der AfD-Politiker Jörg Meuthen dem Filmstudenten Marc Eberhardt die Zustimmung gab, seinen Wahlkampf in Baden-Württemberg aus größter Nähe zu begleiten. Meuthen, vor seiner Kandidatur Wirtschaftsprofessor, ist ein Wolf im Schafspelz, der bei jeder Gelegenheit versucht, die Nähe seiner Partei zu rechtsextremem Gedankengut zu relativieren. Mit dem Gestus eines freundlichen Durchschnittsdeutschen, der selbst Demonstranten gesprächsbereit entgegentritt, fischt er nach Stimmen im unzufriedenen Teil der Mitte.

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Das macht Eberhardts Zugang umso spannender, als hier ein neuer Stil des Rechtspopulismus zutage tritt, der die radikale Zuspitzung nicht mehr braucht, diese höchstens insinuiert. Meuthen's Party entlarvt die Strategie, indem er zeigt, dass hinter dieser Inszenierung, dem Tonfall der Anteilnahme und dem Spiel mit dem Ungefähren die alte nationale Ideologie lauert. Meuthen weißt bloß, dass man sie anders verpacken muss. (Dominik Kamalzadeh, 30.10.2017)