Beispiel eines Schrumpfkopfes südamerikanischer Herkunft: Im Zuge der Bearbeitung wurden Augen und Mund von Innen vernäht.


Foto: Dorotheum

Trophäen-Kopfschmuck aus Nigeria: der Totenkopf wurde mit menschlicher Haut überzogen und mit Haar verziert.

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Wien – Sieht man von der Gothic-Szene ab, haben Totenschädel für die Allgemeinheit nur zu Halloween als Accessoire und zur Dekoration Hochsaison. Dabei handelt es sich selbstverständlich um aus Kunststoff gefertigte Repliken. Gehandelt wird aber auch mit echten Totenköpfen. Solche international als "human remains" geläufigen Objekte wurden schon im 17. Jahrhundert – hauptsächlich im Umfeld der Forschung, aber auch als Symbol der Vergänglichkeit – gesammelt. Für Irritation sorgen sie bisweilen aber noch heute, wie das Dorotheum auf Anfrage bestätigt.

Auch im Hinblick auf das aktuelle Angebot einer am 31. Oktober anberaumten Versteigerung ("Tribal & Curiosity Sale"), in der Totenköpfe aus Borneo, Neuguinea, Nigeria und den Philippinen einen neuen Besitzer gesucht hätten: Sie stammen aus einer europäischen Privatsammlung, gastierten 2004 in einer Ausstellung in Paris und sollten jetzt zwischen 3.000 und 12.000 Euro je Stück einspielen.

"Die Versteigerung menschlicher Ahnen- und Trophäenköpfe und so genannter Schrumpfköpfe" sei "pietätlos und eine Grenzüberschreitung", kritisierten die Wiener Grünen in einer Aussendung. Es sei skandalös, da "rituelle Gegenstände und menschliche Leichenteile zu folkloristischen Wertgegenständen" entfremdet würden, mokierte sich die Menschenrechtssprecherin Faika El-Nagashi.

Historische Trophäen

Eine Stunde vor Start der Auktion entschloss sich das Auktionshaus die betreffenden Objekte zurückzuziehen. Man bedauere, "Menschen irritiert und in ihren Gefühlen verletzt zu haben".

Im Detail geht es um historische Trophäen, die, mit menschlicher Haut überzogen und mit Haaren verziert, von Stammesfürsten als Kopfschmuck getragen wurden. Kultobjekte, die laut Dorotheum durchaus auch "mit europäischen Reliquien vergleichbar sind", die in Kirchen zur Schau gestellt oder verwahrt werden.

Bis Mitte des 20. Jahrhunderts hatte die Kopfjagd in vielen Kulturen der Welt Tradition. Über diese Beute sollte die Lebenskraft des Gegners auf den Jäger übergehen. Eine besondere Gattung waren Schrumpfköpfe. Ein solcher mit südamerikanischer Herkunft gelangt jetzt ebenso im Dorotheum zur Auktion.

Handel mit Menschenteilen nicht verboten

Die Herstellung war laut Experten aufwendig: Die Kopfhaut wurde von Knochen und Muskeln abgetrennt, die Augen und der Mund von innen vernäht und der Schädel anschließend mit heißem Sand befüllt. Durch das Erhitzen verleimte das Kollagen der Kopfhaut, und der Schrumpfungsprozess trat ein. Abschließend wurde der Kopf noch geräuchert – so entstand die charakteristische dunkle Färbung.

Aber darf mit einem "Stück" Mensch wie mit einem präparierten Tier gehandelt werden? Juristisch betrachtet ja, denn es gibt "keine Konvention und keine Regel", die den Handel mit solchen menschlichen Überresten verbieten würde, wie Kurt Siehr vom Max-Planck-Institut für ausländisches und internationales Privatrecht (Hamburg) betont. Zu Siehrs Forschungsschwerpunkt gehört Kunstrecht, das eben auch international gültige Richtlinien für Kulturgut umfasst. "Human remains" gelten allerdings nicht als Kulturgut.

Verkauf scheitert

2014 scheiterte in München der Verkauf eines solchen Schrumpfkopfs: Die Behörden hatten argumentiert, dass er "als menschlicher Leichenteil" unter das Bestattungsgesetz falle. Von dieser Regelung seien nur Körperteile ausgenommen, die medizinischen oder wissenschaftlichen Zwecken oder als forensische Beweismittel dienen.

Der Schrumpfkopf wurde nicht versteigert, sondern an seinen Besitzer retourniert. International sorgt das Geschäft mit solchen Relikten denn auch immer für Diskussionen, vor allem weil das Alter eines Totenkopfs für Laien nicht überprüfbar ist. (Olga Kronsteiner, 30.10.2017)