Mit einer goldenen Sichel bewaffnet, mähte die Schwiegerfurie nahezu alles bodennah ab. Sie brachte wieder Ordnung und Struktur in den Garten.

Illustration: Dennis Eriksson
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Die Gärtnerin erinnert sich noch an die Prinzipien ihrer ebenfalls gartelnden Schwiegermutter. Dieser Frau konnte ein Garten nicht aufgeräumt genug sein. Ständig war sie in den Beeten unterwegs. In der linken Hand hielt sie eine Gartenschere, die immer penibel gereinigt, wenn nicht sogar desinfiziert war. Mit der rechten Hand durchstöberte sie die Rabatten auf der Suche nach Welkem oder Verblühtem. Hatte sie eine Blüte in Welke entdeckt, wurde diese sofort abgeschnitten.

"In Welke" bedeutete für die Schwiegermutter alles, was nicht zu hundert Prozent im Saft stand. In diesem Garten gab es nur perfekte Blüten, und die Pflanzen standen habt acht. Jegliches Wild- und Unkraut wurde bereits als Keimling erkannt, angesprochen und vernichtet. Dem Garten haftete etwas Steriles an.

Wirklich schlimm wurde es im Herbst. Mit einer goldenen Sichel bewaffnet, mähte die Schwiegerfurie nahezu alles bodennah ab. Sie brachte wieder Ordnung und Struktur in den Garten, sodass die Flächen eher einem Labor als einem Stück Natur glichen. Der Gärtnerin schauderte. Sie hat einen anderen Zugang. Sie liebt Unkräuter, weil diese nie schwächeln und meist entzückende Blüten aufweisen. Sie mag es, wenn Rosenblüten beim Verwelken langsam ihre Farben ändern, wenn aus drallen Blüten langsam dralle Hagebutten werden und das vormals sattgrüne Laub gelbgefleckt herabfällt.

Wilde Winkel

Die Gärtnerin putzt die Rabatten zwischen den Zierpflanzen nicht aus, lässt Gerupftes einfach liegen und sorgt dafür, dass es einige richtig wilde Winkel im Garten gibt, wo sich Nützlinge und Schädlinge die Hände reichen und die kommende Saison planen können.

Den Spätherbst liebt sie so und so, denn sie hat entsprechend gepflanzt: Sedum telephium "Herbstfreude" zum Beispiel, die Hohe Fetthenne, der auch der Schnee nichts anhaben kann und deren Blütenstände bis zum notwendigen Rückschnitt im März stehen bleiben. Oder die Kleine China-Spiere Astilbe chinensis var. pumila: Deren Samenstände machen sich über einer Schneedecke besonders gut. Auch Silberkerzen in all ihren Zuchtformen schmücken Herbst- und Winterbeete. Und zuletzt ist die Lampionblume Physalis franchetii zu nennen, deren orange Laternen dem braunen Herbst ihre leuchtende Pracht entgegenhalten.

Ob ein Garten die Seele seines Gärtners spiegele, fragt sich die Gärtnerin und freut sich über das Ergebnis. (Gregor Fauma, RONDO, 11.11.2017)