Xi Jinping überall: Chinas Zeitschriften berichteten zum Parteikongress fast ausschließlich mit dem Präsidenten auf ihren Titelseiten – und mit nur einer Ausnahme ist er überall alleine abgebildet.

Foto: Johnny Erling

Ein langes rotes Transparent mit weißen Schriftzeichen, das sich an der Straße des Arbeitersportpalastes hinzieht, huldigt Chinas Parteichef. "Lasst uns das Xi-Jinping-Denken in der neuen Ära des Sozialismus weiter durchsetzen." Kaum drei Tage nachdem sein Name zum Abschluss des 19. Parteitags in das Parteistatut aufgenommen wurde, steht er plakativ auf den Straßen. Es ist nicht nur Zeichen für den Personenkult, der um Xi getrieben wird, sondern auch für seinen Durchmarsch als starker Mann.

Sieben neue Provinzparteichefs ließ er nach dem Parteitag mit seinen Vertrauten besetzen: in Guangdong, Liaoning, Jiangxi, Shaanxi, Fujian, Hebei und zuletzt Sonntag in Schanghai. Kurz vor dem Treffen tat er das Gleiche an fast zwei Dutzend anderen Orten. Nach seinen Vertrauten im Politbüro hat er fast alle 31 Provinzführer ausgetauscht.

Xi hat es eilig, seine neue Macht zu demonstrieren. Sein geschicktester Schachzug war die Revision des Parteistatuts. Er hat sich dort als Leitideologe verewigen lassen, was zu Amtszeiten vor ihm nur Mao schaffte. Er hat auch die vor seinem Amtsantritt im November 2012 zuletzt geänderte Parteiverfassung in weiten Teilen für seine eigene Agenda umschreiben lassen. Alle Ziele, die er in den vergangenen fünf Jahren anschob, sind dort nun verankert.

Auferstehung der Nation

Sie lesen sich wie harmlose Stichwörter. Doch dahinter verbergen sich große Zukunftspläne, die er beschleunigen will, wie etwa bis 2050 die globale Auferstehung der Nation zu verwirklichen. Als "Schicksalsgemeinschaft" steht das im Programm. Gemeint ist die von China beanspruchte Führungsrolle in einer künftig multipolaren Welt, nachdem sich US-Präsident Donald Trump gerade als weltpolitischer Akteur verabschiedet, oder die "Seidenstraßen-Initiative". Xi will sein Land mit Infrastruktur-Offensiven über Zentralasien und Afrika mit Europa verbinden. Alle Begriffe sind von ihm geprägt.

Die sozialistische Wirtschaftsplanung soll den kapitalistischen Markt wieder und "besser" leiten, nachhaltiger kontrollieren und sozial ausgleichen. Die Aufnahme seiner Worte in die Parteiverfassung macht es Xi leichter, künftige Kritiker seiner Politik als Parteigegner zu diskreditieren und Parteidebatten abzuwürgen.

Die Agentur Xinhua meldete eine Rekordzahl von 107 Veränderungen des Statuts. Die Volkszeitung druckte die 17.000 Zeichen lange Parteiverfassung. Sie enthüllte zugleich, wie schnell Xi sie in nur fünf Monaten durchsetzte.

Am 18. Mai trug er seine Absicht dem Politbüro vor. Am 19. Juni nahm eine Statutenreform-Kommission ihre Arbeit auf. Sie ließ ausgewählte innerparteiliche Gruppen befragen. Am 18. September wurde Chinas Öffentlichkeit informiert, dass der Parteitag einen Monat später die Parteiverfassung ändern würde. Die Volkszeitung deutete an, dass sich die Parteiführung bis zuletzt nicht sicher war, wie die Parteitagsdelegierten reagieren würden. Statt in geheimer Wahl stimmten sie über Handaufheben ab. Das Ergebnis: Es gab 100 Prozent Ja-Stimmen.

Führende Kraft für alles

Mehr als ein halbes Dutzend Veränderungen sind neue Formulierungen, die die Herrschaft der Partei über China zementieren sollen. Eine lautet: "Die KP ist die führende Kraft für alles, ob es sich um Partei, Regierung, Armee, Volk und Schulen handelt oder im Osten, Westen, Süden oder Norden des Landes ist."

Solche Aussagen verwundern. Denn die Herrschaftsrolle der Partei ist im alten Statut bereits verankert. Offenbar befürchtet Xi, dass die mit 90 Millionen Mitgliedern größte Kommunistische Partei der Welt viel verwundbarer ist, als es nach außen scheint. Das zeigt sich auch an unverändert übernommenen Aussagen des alten Parteistatuts: Sie richten sich gegen alle, die die Rolle der Partei gefährden könnten: "Wegen innerer Faktoren und internationaler Einflüsse wird der Klassenkampf in einem bestimmten Ausmaß noch für lange Zeit bestehen. Er kann sich sogar verschärfen, auch wenn er nicht mehr der Hauptwiderspruch ist." Von politischen Reformen und innerparteilicher Demokratie ist dagegen nur andeutungsweise die Rede.

Hinter einer der wichtigsten Änderungen verbirgt sich weitere Macht für Xi über die Armee. Im Statut steht, dass Entscheidungen in der Militärkommission der Partei nach dem "Vorsitzenden-Verantwortlichkeitssystem" getroffen werden. Es gibt nur einen Vorsitzenden: Xi. (Johnny Erling aus Peking, 31.10.2017)