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Protest und Boykott: Jeder einzelne der 565.000 Staatsdiener Griechenlands soll für die Verwaltungsreform evaluiert werden.

Foto: Reuters / Alkis Konstantinidis

Über ihre Beamten können die Griechen einiges erzählen. Von den Strafaktionen der Athener Verkehrspolizei etwa, die Falschparkern nicht nur eine Geldbuße abnimmt, sondern auch die Autokennzeichen für die Dauer einer Woche oder eines Monats – ganz nach Verhandlungsgeschick des Sünders. Oder von unmittelbaren Vorgesetzten in einer Sozialversicherungskasse, die auch nach 15 Jahren im Büro noch nicht mit der Materie ihrer Arbeit vertraut sind. Schließlich von manchen Ministerialbeamten, die lauthals ein Lied anstimmend das Bürozimmer betreten, als wären sie Mitwirkende in einem Musikfilm.

Dass Griechenlands Kreditgeber mit eisernem Besen durch das bisweilen surreal anmutende Ambiente der öffentlichen Verwaltung im Land kehren wollen, überrascht deshalb nicht. Ebenso wenig aber auch, dass sich die Dachgewerkschaft der Arbeiter im öffentlichen Bereich (Adedy) gegen eine der letzten großen Maßnahmen des auslaufenden Kreditprogramms aufbäumt: die Evaluierung jedes einzelnen der 565.000 Bediensteten des griechischen Staats. Nepotismus, Scheinbeschäftigungen und Inkompetenz galten lange als Markenzeichen der öffentlichen Verwaltung.

Stellenabbau befürchtet

Konstantinos Toulgaridis, Mitglied des 17-köpfigen Exekutivkomitees der Gewerkschaft Adedy, nennt die Beamtenbewertung eine "große Lüge". Die linksgeführte Regierung von Premier Alexis Tsipras versuche, ihre eigentlichen Ziele zu verschleiern, so erklärt der Funktionär.

In Wahrheit wolle sie, nicht anders als die Vorgängerregierungen, nur die Vorgaben der Geldgeber Griechenlands erfüllen: Es gehe allein um den Abbau der öffentlichen Verwaltung und um die Privatisierung staatlicher Dienste. Adedy hat deshalb die Beamten zum Boykott der Evaluierung aufgerufen. Ironischerweise sind die Vertreter der konservativen Oppositionspartei Nea Dimokratia die relativ stärkste Fraktion in der Gewerkschaft.

Mehrere Fristen zur Abgabe der Formulare sind seit Beginn der Unternehmung im Februar bereits verstrichen. Der Ministerin für die Reform der Verwaltung, Olga Gerovasili, riss der Geduldsfaden. Doch ein Gesetz, das die Ministerin im September durchs Parlament brachte, hat den Widerstand offenbar nur angeheizt, statt ihn – wie beabsichtigt – zu brechen.

Keine Beförderung ohne Evaluierung

Beamte, die sich weigern, an der Evaluierung teilzunehmen, sind fortan von der Beförderung ausgeschlossen, so legt das Gesetz fest. Die Gewerkschaft aber präsentierte Listen, wonach die Boykott-Rate in den großen Athener Krankenhäusern, in Regionalverwaltungen und Teilen von Ministerien meist zwischen 80 und 100 Prozent liegt.

Das Formular ist fünf Papierseiten lang. Eine Digitalisierung sei nicht möglich gewesen, räumt man im Ministerium für Verwaltungsreform in Athen mit Bedauern ein. Beamte sollen neben Angaben zur Ausbildung ihre Expertise anführen und besondere Initiativen, die sie in ihrer bisherigen Laufbahn ergriffen hatten.

Personalabbau befürchtet

Bewertet werden von den Vorgesetzten Eigenschaften wie "Engagement" und "bekundetes Interesse". Allerdings beurteilen Untergebene auch ihre Vorgesetzten in den Behörden. "Wir nennen es eine 360-Grad-Evaluierung", erklärt Grigoris Theodorakis, der Generalsekretär des Ministeriums. Die Beteiligung soll mittlerweile bei 70 Prozent liegen.

Theodorakis weist zurück, dass die Evaluierung der Beamten nur einem weiteren Personalabbau den Weg bahnen soll. Die "irrationale Verteilung" von Personal müsse korrigiert, die Verwaltung vereinfacht, die Mobilität der Beamten erhöht werden. Der alte Vorwurf vom aufgeblähten Beamtenapparat in Griechenland lässt sich dabei nicht mehr halten. Zwischen 2009 und 2015 wurde der Sektor um ein Viertel gestutzt. (Markus Bernath, 31.10.2017)