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Die Auslieferung der Mittelstreckenflugzeuge A320neo stockt, Schuld sind Probleme mit den Triebwerken.

Foto: Reuters/DINUKA LIYANAWATTE

Paris – Hochfliegend, das war einmal. Die Airbus-Zentrale in Toulouse präsentierte am Dienstag bescheidene Neunmonatszahlen (Ebit-Gewinn 697 Millionen Euro, Umsatz 43 Milliarden Euro). Vor allem aber musste Airbus bekannt geben, dass die Auslieferung des neuen Mittelstreckenflugzeugs A320neo stockt. Schuld sind Probleme mit den Triebwerken von Pratt & Whitney und dem Münchner Hersteller MTU.

Finanzvorstand Harald Wilhelm gab zu, dass die Lieferverzögerung bis zum Jahresende kaum aufgeholt sein werde. Die für 2017 angepeilten 700 Auslieferungen – davon 200 Exemplare des Verkaufsschlagers A320neo – werden verpasst. Im Dauerwettbewerb mit dem amerikanischen Konkurrenten Boeing sind das keine guten Nachrichten.

"Ungenauigkeiten"

Wilhelm bestätigte zudem, dass es bei der Überprüfung von Gesuchen um Rüstungs-Exportlizenzen in den USA zu "Ungenauigkeiten" gekommen sei. Airbus habe die amerikanischen Behörden informiert und kooperiere mit ihnen. "Etwaige Einbußen, Strafen oder andere staatliche Maßnahmen" – bis zum Ausschluss von US-Ausschreibungen – könnten vorerst nicht abgeschätzt werden und dürften laut Wilhelm "eher in Jahren als in Monaten" anfallen. Zur Frage, was sich hinter diesen "Ungenauigkeiten" verberge, räumte der aus München stammende Finanzchef ein, dass nicht alle Vermittler und Provisionen offengelegt worden seien, wie es das Waffenhandels-Regelwerk Itar verlange.

Der gleiche Vorwurf macht Airbus bei bereits bekannten Schmiergeldaffären in England und Frankreich zu schaffen. Airbus-Chef Tom Enders hatte die britische Antikorruptionsbehörde SFO selber informiert, worauf sich auch das französische PNF einschaltete. Der deutsche Konzernchef will mit den bisherigen Praktiken okkulter Provisionszahlungen aufräumen. Sie waren vor allem unter dem Airbus-Aktionär Lagardère gang und gäbe. Seine Kontakten zu "schwierigen Länder" des Mittleren Ostens ermöglichten zahlreiche Verkaufserfolge.

Angst um Insiderwissen

Französische Luftfahrtexperten werfen Enders vor, er kappe mit seiner "brutalen" Säuberung wertvolle Kontakte und brocke Airbus eventuell Bussen in Milliardenhöhe ein. In Paris herrscht vor allem Unverständnis, dass ausgerechnet amerikanische Anwaltskanzleien – Dechert LLP, Hughes, Hubbard&Reed – damit betraut worden seien, bei Airbus interne Untersuchungen anzustellen.

Einige dieser New Yorker Anwälte hatten schon für eine Tochter der US-Sicherheitsfirma Halliburton gearbeitet; diese wiederum gehört zum Dunstkreis der amerikanischen Militärlobby – zu der Airbus-Konkurrent Boeing beste Beziehungen unterhält. Die Franzosen befürchten deshalb, dass aus diesen Kanzleien hochbrisantes Insiderwissen von Airbus in die USA fließen könnte.

US-Markt steht am Spiel

Enders und sein britischer Justizdirektor John Harrison weisen die Befürchtungen mit Verweis auf das Anwaltsgeheimnis zurück. Sie argumentieren, Airbus tue gut daran, amerikanischen Kanzleien Einblick in die internen Geschäfte zu geben, um bei der US-Justiz Goodwill zu schaffen. Nur so lasse sich eine Behördenklage aufgrund der berüchtigten "Foreign Corrupt Practices Act" (FCPA) vermeiden – und das Katastrophenszenario eines Ausschlusses vom US-Markt verhindern.

Viele Airbus-Mitarbeiter glauben aber, dass Enders‘ Operation "saubere Hände" ihm mehr und mehr entgleite. Die neusten Meldungen über die "Ungenauigkeiten" in den USA bestätigen sie nur noch in dieser Meinung. (Stefan Brändle aus Paris, 1.11.2017)