In Brüssel, wohin sich der katalanische Regionalpräsident Carles Puigdemont abgesetzt hat, versammelten sich am Wochenende Gegner und Befürworter der Unabhängigkeit.

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Puigdemont droht im Falle des Nichterscheinens vor Gericht am Donnerstag ein internationaler Haftbefehl.

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Brüssel/Barcelona/Madrid – Der katalanische Regierungschef Carles Puigdemont wird am Donnerstag nicht in Madrid vor Gericht erscheinen – und das, obwohl er zusammen mit den 13 Ministern seiner abgesetzten Regionalregierung vor den Sondergerichtshof für Terror, Bandenkriminalität und Finanzdelikte, die Audiencia Nacional, geladen ist. "Er zieht es vor, abzuwarten und zu beobachten", sagte sein Anwalt Paul Bekaert am Mittwoch in Belgien, wohin Puigdemont und mehrere seiner Minister am Montag gereist waren. Zwei sind mittlerweile wieder nach Katalonien zurückgekehrt. Den 14 werden Rebellion, Aufstand und Veruntreuung öffentlicher Gelder vorgeworfen. Insgesamt drohen ihnen bis zu 55 Jahre Haft.

Richterin Carmen Lamela, die den Fall übernommen hat, hatte vor zwei Wochen die Vorsitzenden der beiden großen Organisationen der Unabhängigkeitsbewegung, Katalanische Nationalversammlung (ANC) und Òmnium, Jordi Sánchez und Jordi Cuixart, inhaftiert. Die Präsidentin des katalanischen Parlaments und zwei weitere Präsidiumsmitglieder müssen ebenfalls mit identischer Anklage vor das Gericht.

Kein Asyl beantragt

Puigdemont und den Ministern droht im Fall des Nichterscheinens ein internationaler Haftbefehl. Asyl wollen sie in Belgien nicht beantragen. Belgien müsste dann über die Auslieferung beraten. Puigdemont werde "behandelt wie jeder andere europäische Bürger auch, mit den gleichen Rechten und Pflichten", sagte der belgische Premier Charles Michel. Puigdemonts Anwalt Bekaert ist Spezialist für solche Fälle, er vertrat bereits ETA-Mitglieder und Kurden in ähnlichen Fragen.

Puigdemont selbst forderte am Dienstag bei einer Pressekonferenz in Brüssel "demokratische Garantien". Wenn ein fairer Prozess in Spanien garantiert wäre, würde er sofort zurückkehren, sagte er und rief zu Gewaltverzicht und Dialog auf. Er werde seine Arbeit von Brüssel aus fortsetzen, sein Vizepräsident Oriol Junqueras und die anderen Regierungsmitglieder daheim in Katalonien. "Spanien will, dass wir unser politisches Projekt aufgeben, aber das wird ihnen nicht gelingen", erklärte Puigdemont.

Währenddessen bereiten zu Hause die Parteien, die am vergangenen Freitag für die Unabhängigkeit Kataloniens gestimmt haben, ihre Strategie für die Neuwahl am 21. Dezember vor, die Spaniens Ministerpräsident Mariano Rajoy ausgerufen hatte.

Ideen gesucht

Hinter den Kulissen suchen Puigdemonts Katalanische Europäische Demokratische Partei (PDeCat) und Junqueras' Republikanische Linke Kataloniens (ERC), die das Wahlbündnis Gemeinsam für das Ja (JxSí) bilden, nach einem "einfallsreichen Modell". Die Koordinatorin des PDeCat-Vorstands, Marta Pascal, gab erste Hinweise, wie dieses aussehen könnte. Sie sprach von einer Art "Volksbegehren gegen Artikel 155", um im Fall des Sieges das Ergebnis des verbotenen Referendums vom 1. Oktober zu untermauern. Auch Puigdemont verteidigte bei seinem Auftritt in Brüssel diese Strategie.

Stellt sich die Frage nach der antikapitalistischen Kandidatur der Volkseinheit (CUP), die bisher Puigdemonts Minderheitsregierung unterstützte. Dort verlangt die Basis, die Wahl zu boykottieren, da sie von Madrid und nicht von der am Freitag erklärten "Katalanischen Republik" ausgerufen wurde. Eine Teilnahme wäre ein Zurück unter die spanische Legalität, lautet die Begründung, die auch an der ERC-Basis so mancher teilt. Eine CUP-Sprecherin ließ dennoch die Möglichkeit einer Teilnahme offen, bezeichnete die Wahl aber gleichzeitig als "illegitim". Es bleibt wenig Zeit, eine Liste gegen den Verfassungsartikel 155 aufzustellen. Denn bis zum 7. November müssen Wahlbündnisse angemeldet werden.

Derweil beginnen im PDeCat die Flügelkämpfe. Puigdemonts Minister für Unternehmensfragen, Santi Vila, kündigte am Montag an, gerne als Spitzenkandidat in den Ring steigen zu wollen. Er war am vergangenen Donnerstag zurückgetreten, als Puigdemont zuerst selbst Neuwahlen ausrufen wollte, um so die Zwangsmaßnahmen durch Madrid zu verhindern, und dann, nach stundenlangem Hin und Her, das Parlament doch über die Unabhängigkeit abstimmen ließ. Vila will "den Moderaten eine Stimme geben", ohne auf das Fernziel Unabhängigkeit zu verzichten. Das allerdings wäre mit einem breiten Bündnis gegen Artikel 155 nicht vereinbar. (Reiner Wandler, 1.11.2017)